Irrungen und Wirrungen
von Bärbel » Sa 14. Mai 2016, 07:55
Aufgrund aktueller Begebenheiten ...
zunächst mal finde ich es toll, dass Toque hier zunächst eine Veranstaltung einstellte, dann aber aufgrund neuer Informationen sich entschied, dass diese Veranstaltung doch nicht so toll ist, er also nicht mehr dafür werben möchte. Diese Größe muss man erst mal haben, passiert es im Internet doch viel zu oft, dass Leute für etwas werben, diese Werbung aber eben NICHT zurückziehen, obwohl sie teilweise sehr genau wissen, dass die ursprünglich beworbene Veranstaltung grosser Mist ist.
Zu der in Rede stehenden Veranstaltung: wir vom Moderatorenteam haben ernsthaft versucht zu recherchieren, da wir aber weder die Hauptperson noch deren persönliches Umfeld persönlich kennen, können wir uns natürlich nur auf das stützen, was wir im Internet finden. In diesem Fall ist es leider wenig aussagekräftig, wir erdreisten uns also keines abschliessenden Urteils.
Ich persönlich tue mich ja immer schwer damit, hier in Deutschland stattfindende Veranstaltungen mit/über/um Indianer zu bewerben. Wenn Musiker hier auftreten, gerne, dann geht es um die Musik, rein um die Musik und nur um die Musik. Ob dieser Musiker dann indianische Wurzeln hat, mag so manch einen im Publikum vielleicht angezogen haben, aber im Endeffekt geht es um die Musik. Gleiches gilt für Maler, Bildhauer, Silberschmiede u.ä.. Auch bei Veranstaltungen, die indianische Tänzer für das Showprogramm einladen, interessiert mich die Vergangenheit der entsprechenden Tänzer recht wenig (da finde ich vielleicht den Rahmen der Veranstaltung nicht so prickelnd, aber das ist meine persönliche Meinung).
Schwierig wird es aber bei zeremoniellen Dingen. Dazu gehört u.a. auch ein Powwow, erst recht aber all die Angebote, die Spiritualität in welcher Form auch immer anbieten.
Powwow: Ein Powwow ist weit mehr als ein paar Leute, die in bunten Klamotten zu Trommelmusik rumhüpfen, es ist so etwas wie ein Gottesdienst. Dazu gehören die offensichtlichen Abläufe (wie das in bunten Klamotten zu Trommelmusik rumhüpfen), dazu gehört aber auch so einiges, was nicht ganz so offensichtlich ist, vielleicht sogar im Verborgenen stattfindet. Und auch wenn es Bücher darüber gibt, die so manche Dinge beschreiben, so gibt es noch viel mehr Dinge, die in keinem Buch zu finden sind, zu einem richtigen Powwow aber doch dazugehören.
Wie ich schon mehrfach schrieb, ich bin Rheinländer, das ist so, das wird immer so sein und das ist gut so. Freunde von mir sind als Re-enactors für den europäischen Kulturraum aktiv. Da gibt es Kelten, Franken, Alemannen, Eisenzeit, Hoch-Mittelalter, kurz um Christi Geburt und was weiss ich nicht alles. Auch diese Leute sind sehr um "Authentizität" bemüht und nehmen ihr Hobby sehr ernst. Wenn sie so auf lager sind, kochen sie auch möglichst ihrer Zeit entsprechend, was dazu führt, dass mein eisenzeitlich interessierter Bekannter dann z.B. auch keine Kräuter benutzt. Es ist zwar erwiesen, dass bestimmte Kräuter zu dieser Zeit hier im Raum bereits verbreitet waren, da aber kein wissenschaftlicher Fund nachweist, dass die Menschen damals diese Kräuter nicht nur angeguckt sondern auch gegessen haben, benutzt er diese Kräuter lieber gar nicht, dann kann er auch nichts "falsch" machen. ... Ich persönlich frage mich dann unwillkürlich warum? Denn die Menschen damals waren ja nicht dumm und haben viele Dinge ausprobiert. Warum sollten sie diese Kräuter also NICHT gegessen haben? Bloss weil es in keinem Buch vermerkt ist?
Und genau so sehe ich das eben auch mit einem Powwow. Ein Powwow ist keine Tanzveranstaltung, es ist eine Art Gottesdienst. ... und hier sind schon Leute entlassen worden, die als Gemeindereferent zwar die Aufgabe der Krankenspeisung im nahegelegenen Seniorenheim hatten, dazu aber ausnahmsweise mal die geweihten Hostien nicht im vorgesehenden Behälter sondern in profaner Plastikdose transportiert haben. Wer Respekt vor hiesigen zeremoniellen Gebräuchen erwartet, sollte diesen Respekt auch gegenüber den Gepflogenheiten anderer Kulturkreise entgegenbringen! - Ein Verbot für Plastikdosen für Hostien kann ich auch in keinem Buch finden, trotzdem gehört es offensichtlich dazu -... Gerade im Zeremoniellen bereich gibt es viele Dinge, die NICHT in einem Buch stehen und die auch niemand, der mal für ein paar Stunden zu Besuch ist, durch seine blosse Anwesenheit oder ein paar erläuternde Sätze komplett mit einbringen kann. Somit kann für mich persönlich eine Veranstaltung, die von Nicht-Indianer veranstaltet und zu 99,999999 % von Nicht-Indianern besucht wird, kein Powwow sein, höchstens eine - vielleicht gut gemeinte, trotzdem aber nur - Karnevallsveranstaltung.
Aber noch viel sensibler ist es bei all den anderen "spirituellen" Angeboten, denn dort sind Leute eben nicht so gefestigt in ihrem Seelenleben wie ich, sie sind auf der Suche nach ... was weiss ich denn. Sie sind überaus verletzlich und so verzweifelt, dass sie Scharlatanen jedweder Ausprägung hilflos ausgeliefert sind. Genau da ist es dann eben auch extrem wichtig, viel über den Hintergrund der Person zu erfahren die diese "Spiritualität" anbietet. - Ähnlich wie beim Kampfsport: ein guter Trainer bildet keine Schläger aus sondern sehr respektvolle Persönlichkeiten. Wer diese inneren Werte nicht respektiert, hat im Kampfsport nichts zu suchen! ... Auch da ist es nicht immer gleich auf den ersten Blick ersichtlich, wer ein guter Trainer ist und wer nicht, mit der Zeit zeigt es sich jedoch und spricht sich dann in den entsprechenden Kreisen herum.... Genauso wie bei all den spirituellen Angeboten. Früher oder später fliegen alle Plastik-$chamanen auf. Schade für die Opfer, wenn dieses "Auffliegen" etwas länger dauert, aber Warnungen gibt es viele, die Frage ist nur, ob ihre verzweifelte Suche nach Hilfe größer ist als die Vernunft, sich grundsätzlich fern zu halten.
Was ist aber mit den "Zwischentönen"? Wenn z.B. ein durchaus renomierter und angesehener Indianer nach Deutschland kommt, dort Präsentationen macht, diese Präsentationen aber von Leuten organisiert werden, die eben (teilweise mehr als berechtigt) einen schlechten Ruf haben? ... Ich gehe davon aus, eine Aussage wie "frisches Gras ist grün" wird nicht plötzlich falsch, nur weil sie auf einer Veranstaltung getätigt wurde, die jemand mit schlechtem Ruf organisiert hat. Somit ist die Qualität einer Präsentation ja wohl kaum unbedingt abhängig vom Ruf des Veranstalters. Aber sind wir doch mal ehrlich, welcher Veranstalter organisiert Präsentaionen, Projekte o.ä. ohne davon auch etwas zu haben? Der eine möchte Geld, ein anderer möchte selber an Prestige gewinnen (und sei es nur durch ein Selfie zusammen mit der renomierten Persönlichkeit an der Wand) und noch ein anderer möchte sich einfach gut fühlen, weil er/sie ein Projekt unterstützt hat, welches er/sie für gut und richtig findet. ... Bei Veranstaltungen für Musiker, Maler, usw, wie gesagt, da sehe ich kein Problem. MEINE Bauchschmerzen fangen nur dann an, wenn etwas in direktem oder indirektem Zusammenhang (wie z.B. über die sonstigen Aktivitäten des Organisators ) mit Spiritualität steht. Denn die Werbung für die Präsentation als solche wirbt eben auch für den Organisator, bei dem ICH VON AUSSEN nicht wissen kann, ob er/sie zu den Guten oder den weniger guten gehört. Und dann mache ICH eben lieber grundsätzlich keine Werbung für solch eine Veranstaltung
Gruss
Bärbel