kulturelles Überleben der Indianer-Volksgruppen




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kulturelles Überleben der Indianer-Volksgruppen

Beitragvon Abendländer » Sa 15. Jun 2013, 15:41

Hallo alle zusammen,

wenn mein Beitrag hierher nicht passen sollte, so kann er ja von Forumsverwaltern verschoben werden. Ich wußte nicht so recht, in welches Unterforum er sonst reinpaßt.

ich mache mir so einige Gedanken über das Überleben der Kultur und Sprachen der Ureinwohner-Völker. Wer nicht will, daß wir auf eine Welt zusteuern, wo eine kapitalistisch ausgerichtete Spaßkultur und nur einige Weltsprachen gesprochen werden, dem muß das Überleben der Eigentümlichkeit der Ureinwohner-Völker am Herzen liegen. Sie sind es, die hauptsächlich die kulturelle und sprachliche Vielfalt der Welt ausmachen. Wenn sie in der Einwanderer-Gesellschaft vollständig aufgehen, wird in Amerika und in Australien eine kulturelle und sprachliche Einöde herrschen. Auch in China droht auf lange Sicht eine kulturelle und sprachliche Einöde.



Während in vergangenen Zeiten die Hauptbedrohung staatliche Zwangsmaßnahmen die größte Bedrohung waren, ist es heute die Verlockung, sich einfach des wirtschaftlichen und persönlichen Erfolges willen an die Mehrheitsgesellschaft anzupassen und Eigenheiten aufzugeben. Vor allem die Jüngeren stehen weltweit in der Versuchung, einfach weltweiten Trends zu folgen. Aber völlige Abschottung nach außen ist heute genauso schädlich. Um einen angemessenen Wohlstand zu erreichen, sind Beziehungen zur Außenwelt unvermeidbar.



Auch in der Geschichte sind jene Völker erfolgreich, die ihre Eigenheiten bewahrt haben und von anderen, höher entwickelten Völkern nützliche Dinge übernommen haben. Die Germanen haben sich gegen das Vordringen der Römer gewehrt und ihre Eigenheiten behalten, aber einige nützliche Errungenschaften von ihnen übernommen und von ihnen gelernt. So sind sie seßhaft geworden, haben die Schrift von den Römern übernommen sowie Techniken im Bau und in der Landwirtschaft übernommen. Ohne dies wäre wohl das nördliche Europa nicht so erfolgreich geworden. Der römische und griechische Einfluß hat sich auch nach Untergang der römischen Vorherrschaft fortgesetzt. Europa ist der beste Beweis, daß Veränderungen durch Einfluß von außen an sich keineswegs Völker im Bestand bedrohen. Die Basken sind ein Beipsiel dafür, daß es möglich ist, inmitten einer mächtigen Sprache oder Sprachgruppe seine eigene Sprache zu bewahren. Das Baskische hat sowohl Römerherrschaft als auch als Sprachinsel inmitten von mächtigen, romanischen Sprachen bis heute überlebt.



Ich halte es für sinnlos, die letzten, Indianervölker von der Außenwelt fernhalten zu wollen. So besteht immer die Gefahr, daß sie gegen Angriffe und Gefahren von außen kaum gewappnet sind. Klar haben Krankheiten immer wieder verheerende Auswirkungen gehabt. Früher haben Krankheitswellen nicht nur Indianer, sondern auch Europäer verheerend getroffen. Man denke nur an die Pestwellen in Europa. Nicht zuletzt wußten die ersten europäischen Siedler selbst nicht, daß sie Krankheiten mitbringen, die Indianer besonders hart treffen würden. Es war allerdings ein Verbrechen, Indianer mit Absicht anzustecken durch Überreichung von Gegenständen. Andererseits hat doch bestimmt die neuzeitliche Medizin dafür gesorgt, daß die Zahl der Indianer überall wieder beständig angestiegen ist. Vorsichtsmaßnamen gegen ansteckende Krankheiten sind natürlich wie überall auf der Welt geboten.



Neuseeland ist für mich ansatzweise ein Vorbild, wie man einheimische Sprachen am besten bewahrt und stärkt. Dort beschränken sich Maßnahmen zur Neubelebung der Maori-Sprache nicht auf Maori-Siedlungen. Die Sprachpolitik ist auf das ganze Land bezogen. Tatsächlich finden sich in Spracheintauch-Schulen - und Klassen nicht ausschließlich Maoris, sondern auch ein kleinerer Teil andersstämmiger Schüler. In Neuseeland gibt es nur eine einzige einheimische Sprache. Andererseits ist Neuseeland auch viel kleiner als viele amerikanische Staaten. Es wäre wünschenswert, daß in Neuseeland noch entschiedener und flächendeckender gehandelt würde.




Die Indianer müßten dazu angehalten werden, im Umkreis ihres Reservats zu bleiben, wenn sie es verlassen, damit sie auch in der Stadt die Kultur und Sprache ihres Volkes pflegen können. Es wäre sogar eine Chance, wenn das Vorhandensein von Indianern in Kleinstädten für Nicht-Indianer verstärkt sichtbar würde. Indianer müßten überal in Amerika in der Schule als Lehrinhalt vorkommen. Ich finde es erschreckend, wie wenig Indianersprachen in den USA in allgemeinen Schulen immer noch unterrichtet werden. Immerhin haben sie einen starken Bezug zur Gegend, in der US-Amerikaner wohnen. In einigen lateinamerikanischen Ländern und anderen Gegenden mit hohem Anteil von Indianern wäre flächendeckende zweisprachliche Schulbildung für alle Schüler sinnvoll. Auch vor dem Hintergrund, daß viele heute Mischlinge sind und außerhalb von Reservaten leben, wäre es heute unbedingt ratsam, Sprachpolitik zu Gunsten einheimischer Sprachen überall in der Gemeinde, Stadt, im Kreis, Bundesstaat oder Land umzusetzen.
Abendländer
 

von Anzeige » Sa 15. Jun 2013, 15:41

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Re: kulturelles Überleben der Indianer-Volksgruppen

Beitragvon Elk Woman » Sa 15. Jun 2013, 22:29

Hallo Alex,

da hast Du Dir aber viel Mühe gemacht. big_ok

Danke dafür zuerst einmal, denn es ist (im Konsens zu der Wichtigkeit "Erhalt und Wiederbelebung indigener Sprachen ") auch aus unserer Sicht genau so, wie Du hier sagst.

Dazu haben wir auch schon versucht spezielle Sachen zu beleuchten, in dem Thread "Sie alle nennt man Indianer" :

45302369nx28228/sie-alle-nennt-man-indianer-they-are-called-indians-f16/

Hier ein besonders interessanter Beitrag (aus der Sicht eines Indianers) :

45302369nx28228/die-indianer-native-americans-f39/stammesspracherhaltung---sache-aller-indianer-t1116.html


Ich bin eigentlich überhaupt keine Fachfrau auf dem Gebiet und ich denke Hobbylinguisten ( wie Rob :P ) können dazu mehr beitragen, daher von mir nur soviel dazu :

Ich denke, wenn man diese Vielzahlt indigener Sprachen ( von denen die man heute noch nachvollziehen kann..) sieht,

https://de.wikipedia.org/wiki/Kategorie:Indigene_Sprachen_Amerikas

wird es immer Sprachen-Schwerpunkte geben, d.h. wo Sprachprogramme zu Sprachregenerierungen möglich sind ( nämlich da wo noch Muttersprachler / bzw. Originalsprecher überhaupt noch da sind, um diese weiter geben können.. )
Und das passiert auch zunehmend seit den letzten Jahrzehnten.

Für manche Sprachen kommt die "Wiederbelebung" aber einfach zu spät , weil es keine schriftl. Überlieferungen und keine Sprecher mehr gibt.
Besonders schwierig wohl die Revitalisierung fast ausgestorbener Minderheitensprachen !

Das mit der Umsetzung Deiner Vorstellungen von :

Die Indianer müßten dazu angehalten werden, im Umkreis ihres Reservats zu bleiben, wenn sie es verlassen,
damit sie auch in der Stadt die Kultur und Sprache ihres Volkes pflegen können.


sehe ich persönlich nicht als realistisch, d.h. den Gegebenheiten entsprechend an.
Der Hauptanteil aller Indianer sind doch in den urbanen Gebieten, Städten etc. aufgegangen, weil einfach dort die Arbeitsstellen sind ( ist ja bei uns nicht anders, man könnte da auch denken warum die Leute nicht in den ländlichen Gemeinden ihrer Bundesländer bleiben, um dort das spezielle kulturelle und sprachl. Gut zu erhalten...)

Es ist einfach so, junge Leute gehen in die Welt hinaus und beiben nicht mehr auf ihrer Scholle sitzen ( so sie können und bereit dazu sind )- und vermischen sich mit anderen Volksgruppen.
Hat es eigentlich auch schon immer gegeben diese Wanderungen und Vermischungen ..
Früher waren es ganze Gruppen und Völker, heute ist der Mensch selbst gefordert um sich weiter zu entwickeln, er lebt eben nicht mehr in Stammes- und Völkischen Gruppen, wo andere seinen Weg bestimmen...( und sei`s nur zum Wohle der Gemeinschaft).

O.k., das wars nur mal zwischendurch von mir, damit Du nicht zu lange auf Antwort warten mußt.
Das Thema ist übrigens hier schon richtig angesiedelt, da es zu allgemein für die speziellen Themen ist.


LG,
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Re: kulturelles Überleben der Indianer-Volksgruppen

Beitragvon Bärbel » So 16. Jun 2013, 05:44

Hallo Alex

junge, junge, Du sprichst hier ja gleich eine ganze Menge verschiedener Dinge gleichzeitig an ... ich beschränke mich mal auf die Sitution von Indianern.

Dass indigene Sprachen erhalten werden sollten, da stimme ich völlig mit Dir überein. Auch unter den Indianern ist diese Meinung durchaus vorherrschend, jedoch ist es anstrengender zwei Sprachen zu lernen als eine und für ein Leben in den USA ist Englisch nunmal unumgänglich heutzutage. Deshalb hat so manch ein Jugendlicher nicht allzu viel Lust, eine meist ja nicht ganz einfache indianische Sprache noch zusätzlich zu lernen. Spracherhaltungsprogramme gibt es ganz viele. Die, die hier im Forum aufgelistet sind, sind nur ein kleiner Teil dessen, was tatsächlich existiert, aber Du darfst auch nicht vergessen, dass Du aus heutiger Sicht eines Menschen sprichst, der hier in Europa aufgewachsen ist (nehme ich jetzt zumindest mal an ;) ) In USA und Kanada war es lange Zeit unter strengen Strafen verboten, diese indigenen Sprachen zu sprechen und somit ist es heute auch durchaus schwierig, genügend Leute zu finden, die diese indigenen Sprachen gut genug beherrschen, um sie zum einen in Schulen lehren oder noch viel besser im familiären Umfeld flüssig sprechen zu können. Entschuldigung, aber Forderungen wie "Indianische Sprachen sollten als Pflichtfach an allgemeinen Schulen gelehrt werden" können da nur von seeeehr weit aussenstehenden Personen kommen. Sind wir doch mal ehrlich, es gibt haufenweise Gesetze und Verordnungen in den USA und Kanada, die zum einen heute noch gelten und zum anderen doch derade darauf abzielen, die Indianer zu assimilieren. Aus welchem Grund sollte es da der entsprechenden Regierung daran gelegen sein, indigene Sprachen zu erhalten? DAS ist Wunschdenken der indianerbegeisterten (weit) Aussenstehenden ... oder der Indianer selbst natürlich, aber die haben ja nun bekannter Massen nicht gerade eine Lobby, was diese Dinge angeht. Es GIBT verschiedene Schulen (erstaunlich viele sogar), wo indianische Sprachen als Unterrichtsfach angeboten werden. Allerdings sind dies meines Wissens nach keine allgemeinen Schulen, denn dort bestimmt ja die US-Regierung den Lehrplan, sondern man hat den Indianern "großzügig" gestattet, wenn sie ihre Leute entsprechend unterrichtet sehen wollen, dies eben auch entsprechend zu organisieren, sprich an Reservatsschulen, wo eben auch im Umfeld noch Leute existieren, die diese Sprache auch unterrichten können und wollen, dort wird auch entsprechenden Unterricht angeboten. ... Oder glaubst Du ernsthaft, Du würdest z.B. in Texas eine Ortschaft finden, wo die Leute nicht auf die Barrikaden gingen, würde an Nicht-Reservats-Schulen plötzlich eine indigne Sprache unterrichtet?

Nun zu Deinem:
Die Indianer müßten dazu angehalten werden, im Umkreis ihres Reservats zu bleiben

´tschuldigung, aber wie bist Du denn drauf? Also erstens Mal, war es die US-Regierung, die ja gerade Anreize geschaffen hat, dass Indianer in große Städte ziehen (Indian Relocation Act ist nur EIN Stichwort, nach dem Du vielleicht mal googeln solltest) und zweitens - Elk hat es ja bereits angesprochen - auch Indianer sind durchaus bestrebt, etwas aus ihrem Leben zu machen. Und wenn sie dann ausserhalb für sich und ihre Familie bessere Perspektiven sehen, dann nutzen sie diese Gelegenheit ... und nicht nur Reservats-Indianer, wie gesagt, "Landflucht" ist ein weltweit existierendes Phänomen. Ja natürlich lässt sich die Kultur mit Sprache und allem, was da sonst noch zugehört leichter bewahren, wenn man zusammen bleibt Wie soll ein Yaqui aus Arizona in Detroit genügend Leute finden, mit denen er seine Yaqui-Sprache so sehr pflegen kann, dass auch seine in Detroit aufwachsenden Kinder und Enkelkinder diese Sprache weiterhin fliessend sprechen? ...Ein (indischer) Freund von mir ist hier in Deutschland geboren und bis zum Ende der 8. Klasse hier aufgewachsen. Zu Hause sprach man den entsprechenden indischen Dialekt, aber eigentlich bezeichnete er immer Deutsch als seine "Hauptsprache". Dann zog die Familie nach Indien und mein Freund muste erst mal Englisch und Hindi pauken (nein, eigentlich sprich kein einziger Inder wirklich Hindi, indische "Muttersprachen" sind diese verschiedenen - ich meine, es waren mindestens 16 - Dialekte und Hindi ist einzig und alleine Amtssprache. "Keine Socke spricht sie, keine Socke mag sie, aber jeder muss sie lernen", so ähnlich sagte mein Freund mal). Studiert hat er in Bombay und nun lebt er seit mehr als 25 Jahren in den USA. Und obwohl er weiterhin Kontakte zu Deutschen hat und gerade dann auch versucht, sein Deutsch weiterhin zu trainieren, so versteht er zwar noch gut, was andere in Deutsch sagen, aber sobald er selber spricht, kommt kaum noch jemand auf die Idee, dass er doch mal seine ersten 14 - 15 Lebensjahre in Deutschland verbracht und Deutsch wie seine Muttersprache gesprochen hat. ... Wie soll es da erst dem armen Yaqui aus o.g. Beispiel gehen??? Und erst recht seinen Kindern und Enkelkindern???

Viele Indianer versuchen nach Kräften, den Kontakt zu ihrer Stammesgemeinschaft zu halten. Selbst wenn sie auf der anderen Seite des Globus leben. Aber eben "nach Kräften". Willst Du ihnen jetzt verbieten, Chancen für sich und ihre Familie zu nutzen, damit die - ja eigentlich immer noch in USA stark verpönten - Sprachen und sonstigen kulturellen Aspekte erhalten bleiben???

Und so ganz nebenbei ... Du fühst "Baskisch" als Beispiel an, welches römische und sonstige Bestrebungen "überlebt" hat. 1) War das Baskisch denn ähnlich streng verboten wie die indigenen Sprachen in USA und Kanada? und 2) Trotz all der Versuche der dominanten Gesellschaft in USA und Kanada HABEN ja Sprachen überlebt. Nicht alle, und einige auch nur bruchstückhaft, aber immerhin.

Gruss
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Re: kulturelles Überleben der Indianer-Volksgruppen

Beitragvon Elk Woman » So 16. Jun 2013, 12:37

Hi Alex,

damit Du nicht gleich ganz verschreckt bist von dem was Bärbel schreibt ( obgleich sie natürlich auch nach meiner Ansicht inhaltlich völlig Recht hat ! ;) ) ,
von mir eine kleine Ergänzung :

Lies dir mal den nachfolgenden Artikel durch

http://arbeitskreisindianer.wordpress.com/2011/03/16/oklahoma-vielvolkerstaat-indianischer-nationen/

Ich denke, gerade am "Vielvölkerstaat" Oklahoma kann man erkennen, dass die Problematik der kulturellen Vielfalt und Erhaltung nicht unbedingt "im Ausbau autonomer indianischer Regionen
(Reservate und Umgebungen)" liegen kann


Der alles erklärende geschichtliche Satz ; den Bärbel auch mit anklingen ließ, ist der :
„Die US-Indianerpolitik erfolgte und erfolgt in gegensätzlichen Wellen.“

(und kann sich auch wieder gegenteilig zu den jetzigen politischen Verbindungen von US Regierung und Stammesregierungen entwickeln ...
Also ist eine starke Indianerlobby in den Städten sehr wichtig !)



Und dann gibt’s noch neben den Abhängigkeiten von Reservatsbewohnern zum Staat (als Mündel des Staates ) noch Verflechtungen zu den Verwaltungshoheiten im Reservatsgebiet :
http://www.gfbv.at/publikationen/weiterepublikationen/Autonomiesysteme_Benedikter_2012.pdf

Indianerreservate in den USA /
Seite 204 - 207
:


Auszugszitat :

„Obwohl alle Reservate zu einem der US-Bundesstaaten gehören, unterstehen sie nicht der politischen Ordnung, der Verwaltung und dem Steuersystem des jeweiligen Staats.
Auch bezüglich der Gerichtsbarkeit haben Reservate ein eigenes System. Bis heute konnte sie auf diese Weise einige Elemente ihrer früheren Souveränität bewahren.
Sie sind nicht ins politische System der Distrikte (county) des jeweiligen Bundesstaats integriert und wählen auch keine Abgeordneten weder ins Parlament des jeweiligen Gliedstaats
noch ins Bundesparlament, den US-Kongress in Washington.

Die Mitglieder der Reservate wählen den „Stammesrat“ und einen Gouverneur oder Präsidenten. Die Verwaltungsbehörden des Reservats erlassen Regelungen, die für alle im Reservat Ansässigen gelten,
unabhängig von ihrer Mitgliedschaft in einem Indianervolk. Doch ist es recht kompliziert, als Nicht-Indianer überhaupt die Genehmigung zur Niederlassung innerhalb eines Reservats zu erhalten.“




Soweit dazu ; nur um noch einmal zu demonstrieren, dass alles „gut-denken“ wenig Realitätssinn hat, wenn die Gesetzmäßigkeiten und auch kulturellen Ansichten der jeweiligen Völker ganz anders
und viel komplexer (auch komplizierter) sind , d.h. und sie auch ein Recht auf ein bissel Souveränität haben, d.h. nicht nur Mündel des Staates zu sein. …


LG,
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Re: kulturelles Überleben der Indianer-Volksgruppen

Beitragvon Abendländer » So 16. Jun 2013, 13:02

Vielen Dank für Eure ausführlichen Beiträge. Ich weiß, daß man zeitweise in Nordamerika bestrebt war, Indianersprachen auszurotten. Ähnlich streng verboten waren eine Zeitlang Regionalsprachen in Frankreich. Aber diese Zeiten sind schon seit rund 50 Jahren vorbei. Man hatte sogar schon in den 60er-Jahren angefangen, Indianersprachen in Reservatsschulen zu unterrichten. Es gibt zwei Möglichkeiten, die Unterdrückung der eigenen Kultur zu erwidern. Entweder man verinnerlicht, wie minderwertig sie angeblich sei oder es entsteht offener oder verdeckter Widerstand mit Abwehrverhalten gegenüber der Mehrheitsgesellschaft. Eltern könnten ihre Muttersprache trotz der Unterdrückung weiterhin mit ihren Kindern sprechen. In Spanien während der Franco-Zeit und früher schon einmal gab es auch Sprachverbote. In Katalonien hat das hervorgerufen, daß das Spanische fortan als Sprache der Unterdrückung bei einigen regelrecht verhaßt war und bis heute bei manchen Katalanen noch ist. Warum haben einige Indianer nicht eine ähnliche Abneigung gegenüber dem Englischen entwickelt, so nach dem Grundsatz:"Wir müssen es heute beherrschen, aber die Sprache der Unterdrücker zu Hause sprechen, niemals!" In Europa beherrschen viele Menschen zwei oder auch mehrere Sprachen, nämlich neben der Muttersprache noch Englisch und manchmal noch Französisch und/oder Spanisch.




Die USA wirken heute auf junge Leute weltweit anziehend. Aber für mich stehen die USA für anglo-amerikanisches Scheuklappendenken und Mißachtung der Wurzeln ihrer Einwohner. Das gilt nicht nur für Indianer, sondern auch für die Einwanderer. Ich finde es einfach furchtbar, wenn Nachkommen von Einwanderern fast nur noch Englisch sprechen können. Es gibt inzwischen eine bescheidene Gegenbewegung zur Englisch-alein-Bewegung, der Englisch-Plus-Bewegung. Sie stellen heraus, daß es für die USA auch wirtschaftlich von Vorteil ist, wenn US-Bürger neben Englisch auch die Sprachen ihrer Vorfahren beherrschen. Statt dem Modell einer Einheitssprache wäre auch das Modell denkbar gewesen, daß sich vor Ort die Sprache jener Einwanderer, die sich zuerst und hauptsächlich dort niedergelassen haben, als Umgangssprache durchsetzt mit Englisch, ähnlich dem Latein zu früheren Zeiten in Europa unter den Gebildeten,als Verkehrssprache zur Verständigung zwischen den Volksgruppen. Die Schweiz ist zwar viel kleiner als die USA oder Kanada. Trotzdem ist sie ein Beispiel dafür, daß Mehrsprachigkeit, wobei die Verwaltung vor Ort die örtliche(n) Amtssprache(n) festlegen darf, in einem Staat möglich ist, ohne daß er zerfällt.



Für das Baskische hat es unter Franco ein Sprachverbot gegeben wie für die anderen Regionalsprachen in Spanien. Sprachverbote sind wohl eher ein Kampfmittel der Neuzeit, weil man erkannt hat, daß die Auslöschung von Völkern neben der körperlichen Ausrottung auch über die Vernichtung der eigenen Sprache und Kultur verwirklicht werden kann. Zur Römerzeit war es wohl so, daß Latein den Ruf als Sprache der Kultur, demgegenüber andere Sprachen (nicht das Griechische) im Laufe der Zeit als Sprache der Barbaren erschienen. Später kam noch der Gesichtspunkt hinzu, daß Lateinisch für das Christentum und andere Sprachen in Westeuropa für Heidentum stand, das bekämpft werden muß. Ich finde es da erstaunlich, daß sich das Baskische über Jahrhunderte aus vorindoeuropäischer Zeit sowohl über die indoeuropäische Einwanderung als auch über die römische Herrschaft hinweg bis heute behaupten konnte.




Es ist den Indianern natürlich nicht zu verübeln, daß sie auch ein Stück vom Wohlstandskuchen abbekommen wollen. Genausowenig ist etwas dagegen einzuwenden, wenn man eine Zeitlang woanders leben möchte, um etwas anderes kennenzulernen. Aber es ist vor allen Dingen für kleinere Völker ohne eigenen Staat oft der Anfang vom Ende, wenn die meisten bereitwillig andersstämmige Partner heiraten oder auf Dauer weit weg vom heimatlichen Umkreis niederlassen. Das Gutheißen der hemmungslosen Völkervermischung finde ich genauso deutlich verfehlt wie naziähnliche Sprüche vom reinen Blut und natürlichen Überlegenheit einer Rasse oder eines Volkes. Ich stelle es mir nicht immer einfach für Indianer vor, wenn irgendwo in einer Millionenstadt der berufliche Aufstieg winkt, dieser aber mit Verlassen des heimatlichen Umkreis verbunden ist. Es gibt leider keine Großstadt, wo ein Indianervolk die Mehrheit stellt. Ich stelle mir einen Ausgleich zwischen beruflichen Aussichten und Verbindung zum Stamm so vor, daß sich Indianer hauptsächlich in kleinen und mittleren Städten im Umkreis der Reservate niederlassen. Wenn es in einer kleinen oder mittleren Stadt mehrere Tausend Stammesangehörige gibt, ist die Pflege und Wiederbelebung der eigenen Sprache und Kultur gut möglich. Es liegt an führenden Indianern und Stammesvertretungen und weniger an der US-Regierung, die Stammesgenossen dazu anzuhalten, auf Dauer im heimatlichen Umkreis zu bleiben und möglichst untereinander zu heiraten. Die Vermittlung von Partnerschaften innerhalb eines Stammes oder Volkes ist dabei sinnvoll. Das wird ja heutzutage weltweit gemacht. Entgegen manchen weltfremden Weltverbesserern finde ich das Ziel der Anpassung der Indianer (ohne Zwangsmaßnahmen) an die Mehrheitsgesellschaft grundsätzlich erstrebenswert. Wohlgemerkt, mit Anpassung meine ich nicht Angleichung und Aufgabe der eigenen Wurzeln! Erstrebeswert ist ein kultureller Austausch und ein Aufeinanderzugehen.



Eine Indianersprache als Pflichtfach wäre für mich dort denkbar, wo sie 10% oder mehr ausmachen. Das Lakota Language Consortium gibt im Netz an, daß 6 Schulen außerhalb von Reservaten von ihnen erstellte Unterlagen verwendet. Es ist nicht so, daß es in den USA überhaupt keinen Fortschritt gibt, am meisten unterhalb der Bundesebene. Verglichen mit Australien und Neuseeland, im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung, ist die Zahl von Nicht-Indianern, die in der Schule eine Indianersprache lernen, sehr gering. Ich habe einmal Statistiken aus den USA mit jenen aus Australien und Neuseeland vergleichen.



Ich finde übrigens, daß auch in Deutschland die meisten in ihrer Heimat bleiben sollten. Bei uns ist es natürlich einfacher, weil die deutschen Volksgruppen wie Baiern, Alemannen usw. ein paar bis einige Millionen ausmachen und wir auch Großstädte in unseren Einzugsbereichen liegen.

Gruß, Alex
Zuletzt geändert von Abendländer am So 16. Jun 2013, 18:32, insgesamt 1-mal geändert.
Abendländer
 

Re: kulturelles Überleben der Indianer-Volksgruppen

Beitragvon Bärbel » So 16. Jun 2013, 16:31

Hallo Alex,

ich versuche mal, Schritt für Schritt auf Deinen Beitrag einzugehen:

Ja, es stimmt, bereits seit einigen Jahren gibt es Reservatsschulen, die indianische Sprachen unterrichten. Aber das sind doch immernoch nur wenige Einzelfälle im Vergleich zur Gesamtzahl der vorhandenen Schulen. Und WAS wird dort unterrichtet? Doch nur die Sprachen, für die es eben noch genügend Lehrer gibt und die eben auch zu dem entsprechenden Reservat gehört. Wenn man hier Indianerbegeisterte Menschen fragt, die von sich sagen "ich kann auch `indianisch´", so sprechen diese Menschen meist Lakota. Ich selbst kann es nicht, aber offensichtlich gibt es dazu eine Menge Lehrmaterial. Warum aber sollte z.B. ein Tlingit auf einmal Lakota lernen? Bloss weil es darüber Lehrmaterial gibt, über Tlingit aber nicht? Das macht doch keinen Sinn. Aber unterrichtet und somit zur Schulunterricht erhalten werden kann doch nur, wozu es auch entsprechende Informationen gibt. Da kann so eine Reservatsschule noch so sehr mit dem Fuss aufstampfen und sagen: "Wir wollen aber die Sprache unserer Reservatsbewohner erhalten", wo kein Lehrer, da kein Unterricht.

Und selbst wenn ... nehmen wir mal Apachen: Da gibt es verschiedene Reservate, aber in diesen Reservaten leben verschiedene Apachen ... mit einem teilweise durchaus drastisch unterschiedlichen Dialekt. Welchen Dialekt soll man dann unterrichten? Glaubst Du, hier würden sich bayrische Eltern freuen, wenn auf einmal norddeutsches Platt als Pflichtschulfach angesetzt würde? Wohl kaum. Und da sind Indianer nicht anders.

Deiner Meinung nach hätten sich Indianer ja insoweit "wehren" können, dass sie englisch eben nur in der Öffentlichkeit, nicht aber zu hause sprechen? Tun einige doch. Meine Erfahrungen sind jetzt bestimmt nicht repräsentativ, aber so kenne ich z.B. Anishnabek-Familien aus Wikwemikong (Manitoulin Island, Ontario, Kanada) und auch Navajos aus Arizona, wo es genau so läuft. ... Aber auch da wieder: Das funktioniert nur, wenn es noch genügend Leute gibt, die diese Sprache auch fliessend beherrschen.

Und noch ein Punkt, der durchaus Einfluss auf die Sprachwahl hat: Ich habe absolut keinen blassen Dunst von Türkisch. Trotzdem verstehe ich oft, worüber manche Türken sprechen. Warum? Gerade, wenn es um Computerkram geht, gibt es gar kein passendes türkisches Wort und somit benutzen sie die entsprechenden englischen Worte. DIE verstehe ich auch und kann mir den Rest zusammenreimen. Und genau das gleiche Problem trat auf, als ich bei einer Einladung zum Grillfest einer Anishnabek-Familie die Unterhaltung einer etwa 20-jährigen Frau mit einem älteren Mann mitbekam. Die Frau spricht durchaus gut Anishnabek und trotzdem war sie nicht in der Lage, ihrem Gesprächspartner in dieser Sprache zu vermitteln, was sie sagen wollte. Sie studierte gerade Architektur und lebte in Toronto und der Mann hatte sie gebeten, ihm davon zu berichten ... und ihr fehlten einfach die Worte. Also wechselte sie ins englische ... klingt übrigens echt interessant, wenn der eine in Anishnabek fragt und die andere in englisch antwortet (aber das nur am Rande :D )

Ich finde es einfach furchtbar, wenn Nachkommen von Einwanderern fast nur noch Englisch sprechen können.

... ähm ... meinst Du wirklich, die Nachfahren z.B. der vor 400 Jahren nach Amerika eingewanderten Deutschen, die seit dem dann Iren, Schotten, Briten, Franzosen Spanier und von mir aus auch Mongolen geheiratet haben, sollten heute noch in ihrem häuslichen Umfeld deutsch reden? Natürlich bringt es berufliche Vorteile, wenn man mehrere Sprachen beherrscht und kulturelle Vielfalt wird auch durch das Vorhandensein verschiedener Sprachen unterstützt. Aber DAS erreiche ich auch, wenn ich als Deutsche eben mal versuche, Spanisch zu lernen, oder Chinesisch oder von mir aus auch Lakota. DAS sollte dann aber die Entscheidung eines jeden einzelnen sein und nicht zum PFLICHTschulfach hochstilisiert werden. Der eine hat halt linguistische Fähigkeiten, ein anderer ist halt eher Ingenieur, Krankenschwester oder Dachdecker ...

Es ist den Indianern natürlich nicht zu verübeln, daß sie auch ein Stück vom Wohlstandskuchen abbekommen wollen. Genausowenig ist etwas dagegen einzuwenden, wenn man eine Zeitlang woanders leben möchte, um etwas anderes kennenzulernen. Aber es ist vor allen Dingen für kleinere Völker ohne eigenen Staat oft der Anfang vom Ende, wenn die meisten bereitwillig andersstämmige Partner heiraten oder auf Dauer weit weg vom heimatlichen Umkreis niederlassen. Das Gutheißen der hemmungslosen Völkervermischung finde ich genauso deutlich verfehlt wie naziähnliche Sprüche vom reinen Blut und natürlichen Überlegenheit einer Rasse oder eines Volkes.

wie schön, dass Du es niemandem verübelst, EINE ZEITLANG woanders leben zu wollen ... oooommmm ... nein, ich glaube, ich schreibe jetzt besser nicht, was ich denke ...
aber tatsächlich, diese Dinge passieren. Eine Familie, die ich letztlich in New Mexico kennenlernen durfte, wird wohl genau das machen. Sie ist Dine, er Lakota/Dine. Sie lebten zunächst im Reservat, sind dann der besseren Schulbildung der Kinder wegen nach Phoenix, Arizona, gezogen und überlegen jetzt, ob sie nicht wieder zurück ins Reservat ziehen ... und ich wette, sie sind nicht die einzigen. Denn die Indianer haben durchaus erkannt, das räumliche "Flucht" aus der Stammesgemeinschaft diese nicht weiterbringt. Und so gibt es nun einige, die - mit guter Ausbildung im Gepäck - nun ins Reservat zurückkehren, um dort die Stammesgemeinschaft zu unterstützen ... als Zahnärzte, Anwälte, Architekten und was weiss ich nicht alles ... aber was über soooo viele Jahre in der Entwicklung und Entfaltung unterdrückt wurde, ist natürlich nicht von heut auf gestern wieder gleich Vorzeigeobjekt. So was braucht Zeit und soweit ICH das sehen kann, sind die Indianer da - egal welche Nation, sie ALLE sind - auf einem guten Weg. Ganz alleine und ohne Belehrungen und Einmischungen von aussen! Auf ihre ganz spezielle und kulturell einzigartige Art und Weise!

Gruss
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Re: kulturelles Überleben der Indianer-Volksgruppen

Beitragvon Bärbel » So 16. Jun 2013, 19:28

... ach und noch ein Punkt, der dazu beigetragen hat, dass heute manche Sprachen eben komplett oder zumindest teilweise verschwunden sind: Kinder in der Schule englisch und zu Hause etwas anderes sprechen lassen, das geht HEUTE. Aber vor noch gar nicht allzu langer Zeit wurden Kinder aus ihren indianischen Familien komplett herausgerissen und in sog. Residential Schools/Boarding Schools gesteckt. Das heisst, sie wurden mit etwa 3 oder 4 Jahren aus der biologischen Familie entfernt und für mehrere Jahre in Einrichtungen gesteckt, die die Verwendung indigener Sprache hart bestraften und ausschließlich englisch zuliessen. Kontakt mit Familienangehörigen? Komplette Fehlanzeige und das für viele Jahre. Dann wurden diese Kinder irgendwann zu ihren Familien zurück geschickt und konnten sich nicht mal mehr mit den eigenen Eltern verständigen. Und so hatten diese Kinder gleich zweimal einen absoluten Kulturschock zu verarbeiten. Einmal, als sie aus der biologischen Familie herausgerissen wurden und einmal als sie wieder hineingezwängt wurden ... für viele dieser Kinder war es da glattweg einfacher, wieder zurück in die "dominierende Gesellschaft" zu wechseln, weil das war immerhin das Leben, was sie die letzten Jahre kannten ...und die letzte Residential School in Kanada hat übrigens erst 1996 ihre Tore geschlossen

Kulturerhalt unter diesen Bedingungen ist verflixt schwierig und ich persönlich finde es immer wieder bewundernswert, wieviel die Indianer trotz aller Widrigkeiten noch bewahren konnten. Ja natürlich ist es schade, dass so viel verloren ging. Aber wenn Du mal genau hinguckst, wirst Du (hoffentlich) feststellen, dass die Indianer genau das machen, was Du hier als so heilbringend vorschlagen willst. Sie passen sich an. Sie schauen, was die Menschen um sie herum so machen, bilden sich eine Meinung darüber, was sinnvoll und erstrebenswert ist und was nicht, und dann übernehmen sie genau diese für sie nützlichen Dinge und kombinieren das mit ihrer Kultur. Dann entsprechen sie zwar nicht mehr dem Klischeebild, was so gerne in Europäerhirnen rumspukt, sobald diese das Wort "Indianer" hören, aber dieses Bild ist eben nichts weiter als ein oberflächliches Klischeebild. Was heute lebt, sind "moderne Indianer"

Gruss
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Re: kulturelles Überleben der Indianer-Volksgruppen

Beitragvon Elk Woman » So 16. Jun 2013, 22:50

Huiii, Bärbel,

Respekt; so genau auf den Punkt gelandet ! big_applaus
(Danke auch an Alex in Bezug meiner Bitte nachkommend. Damit haben wir eine gute Ausgangslage zur Fortführung dieses wichtigen Themas !)

Manchmal spuken mir beim lesen von Themen plötzlich Begriffe durch den Kopf, wie jetzt, wo mir eine innere Stimme zuraunt.. :mrgreen: :

"Kulturelle Eigenheiten und Berührungspunkte".

Dabei fällt mir immer das Beispiel von Vine Deloria ein
(genannt "angewandte Geometrie"):


"Die beste Methode, um zur indian. Vorstellungswelt Kommunikation zu finden, sei Punkte zu finden, wo Beziehungen zwischen den Dingen vorhanden sind."

Erklärung : "Stammesgesellschaften integrieren sich um ein Zentrum herum (also kreisförmig) und Nichtindianische Gesellschaften sind auf lineare Entwicklungen orientiert (Weg - Ziel) .

Diese Linien kann man mit Tangenden am Kreis vergleichen : Dort wo die Tangenden die Kreislinien berühren, sind die Punkte wo man ganz gemeinsame Dinge und Gedanken beider Gruppen hat.
(Es gibt viele Punkte,durch die solche Tangenden gehen, und sie können als Fenster aufgefasst werden, durch die sich Indianer und Nichtindianer sehen können (man kann wohl sagen, wahrnehmen können).

Wenn man dieses geometrische System (als Hilfsmittel des Verstehens) verinnerlicht, kann ein Nichtindianer die Perspektive der Stammesgesellschaften gedanklich einnehmen, und dadurch besser sich selber
und die eigene Beziehung zu den Indianern verstehen".

( Vine Deloria, aus : We talk, you listen)



Also, kompliziert zu lesen, aber mit einfacher Skizze (Kreis - Tangenden- verbindende Punkte zwischen den Tangenden, durch den Kreis, und Berührungspunkte am Kreis ) sich selber dann ganz verständlich
zu machen, find ich.

Und was sieht man dann ?

Ich sehe das so :idea: :

Mein Gedankengut aus meiner heutigen kulturellen Entwicklung heraus, kann nur aus Berührungspunkten zu Stammeskulturen bestehen ( genau wie andersherum).
Daher gibts eben durchaus Chancen zu guten gemeinsamen Ansätzen, aber wohl kaum letztlich dann gemeinsame Lösungen oder Wege.


LG,
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Re: kulturelles Überleben der Indianer-Volksgruppen

Beitragvon Abendländer » Mo 17. Jun 2013, 22:32

Von den Internatsschulen zur Zwangsangleichung habe ich auch gelesen und gehört. Das war wirklich ein Verbrechen an Indianerkindern! Die US-Geschichte abseits der Oberfläche bringt mich ins Schaudern, nicht nur was Indianer angeht! Die Aussagen einzelner Indianerhasser erinnern mich doch etwas an Aussagen von führenden Nazis, z. B. die Überlegung, was es kostet, einen Indianer im Kriegsfeldzug zu ermorden und was es kostet, Indianerkinder durch Zwang zu einem Durchschnitts-US-Bürger umzuerziehen!



Die Indianerpolitik der letzten 100 Jahre erscheint mir, als hätte die US-Regierung selbst nicht gewußt, was sie will. Ich bin neugierig, mehr über die andere Seite der Euro-Amerikaner zu erfahren, wie stark Euro-Amerikaner vertreten waren, die entschiedene Gegner der Unterdrückungspolitik waren und versucht haben, Indianern zu helfen und sich für sie eingesetzt haben, so wie es Sklavereigegner gegeben hat. Ich habe einmal gelesen, daß es zeitweise Indianern verboten war, die Reservate zu verlassen.



In dem Bericht aus "Indian country today", auf den Ihr mich hier oben verwiesen habt, meint ein Indianer, daß es zu einfach sei, die Schuld für den Niedergang der Indianersprachen auf die Internatsschulen zu schieben. Nachdem, was ich gelesen habe, liegt ein großer Teil der Schuld auf ihnen. Ich vertrete eher die Meinung, daß es die Verantwortung der Indianer selbst war und ist, ihre Sprachen wieder zu neuem Leben zu verhelfen, nachdem die offene und brutale Unterdrückung eingestellt worden ist. Dasselbe gilt für andere Völker, deren Kultur und Sprachen unterdrückt worden sind. Der Bericht aus "Indian country today" bestätigt das, was ich oben geschrieben habe, nämlich daß heutzutage vor allem die Gefahr besteht, daß einige aus Bequemlichkeit und wegen der Verlockung, sich bereitwillig in die Mehrheitsgesellschaft "aufsaugen" zu lassen, ihre Sprachen zu lernen bzw. im Alltag zu verwenden und an Kinder weiterzugeben.



Es ist eine merkwürdige Tatsache, daß der Zweite Weltkrieg, der so schrecklich war, den Ureinwohner-Völkern bei ihrem Kampf um gleiche Rechte und Achtung seitens der Mehrheitsgesellschaft geholfen hat. Einige Indianer haben nach Kriegsende, soweit ich gelesen habe, darauf hingewiesen, daß sie gleiche Rechte und Achtung verdient haben, weil sie zusammen mit anderen US-Amerikanern für die USA gekämpft haben. Dies hat Indianern, aber auch Afro-Amerikanern, eine gewichtige Begründung "als Waffe" gegen Indianerhasser an die Hand gegeben. Dasselbe ist auch in Australien, was die dortigen Aborigines betrifft, geschehen.


Es geht mir nicht darum, irgendjemandem etwas vorschreiben zu wollen. Es geht mir um die Feststellung, daß der Erhalt der kulturellen und sprachlichen Vielfalt auch von anderen Rahmenbedingungen abhängen, wie z. B. sich dem eigenen Volk verbunden zu fühlen und Zusammenhalt im Volk wie auch ein Hauptsiedlungsgebiet, wo die meisten bleiben oder nach Aufenthalt woanders zurückkehren wollen usw. Ich finde, es ist auch Unrecht, wenn man grob gesagt vor die Wahl gestellt wird, entweder Armut und Verbleib in der Heimat oder berufliche Aussichten und dauerhafte Abwanderung. Das ist nicht zuletzt auch eine Waffe, um Druck auf kleinere Völker auszuüben. Weitab der Heimat zu leben, sollte wirklich freiwillig sein. Der Druck, dauerhaft aus der Heimat abzuwandern, ist mitunter auch eine Waffe zur Unterdrückung kleinerer Völker.



Auch wenn die gewaltsame Umerziehung von Kindern von Ureinwohner-Völkern besonders verbrecherisch war, liegt es doch insgesamt in der Linie des Zeitgeistes vom Ende des 19. Jahrhunderts bis hinein in die Mitte des letzten Jahrhunderts, Kinder gewaltsam in der Persönlichkeit verbiegen zu wollen. Die Auseinandersetzung mit der Unterdrückung der Indianer hat auch meinen Sinn für meine eigene Herkunft und meinen Unmut, daß die Kultur meiner Heimat in der Schule kaum vorgekommen ist, geschärft



Gruß, Alex
Abendländer
 

Re: kulturelles Überleben der Indianer-Volksgruppen

Beitragvon Elk Woman » Mo 17. Jun 2013, 23:07

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