Hallo liebe Forumsmitglieder!
Der Grund warum ich hier schreibe ist ziemlicher Ärger und auch Ratlosigkeit über die ersten Informationen aus der neuen Winnetou-Verfilmung, deren Dreharbeiten zur Zeit in Kroatien stattfinden.
Ich bin Deutscher, lebe aber berufsbedingt seit einigen Jahren in der Schweiz. Wie viele bin ich über die Bücher von Karl May, die Karl May-Filme und andere Western dazu gekommen, mich mit der Geschichte und Kultur der nordamerikanischen Indiander etwas zu beschäftigen. Nun wurde vor einiger Zeit in den Medien angekündigt, dass RTL zusammen mit der Produktionsfirma RatPack eine Winnetou-Neuverfilmung vornimmt. Die Dreharbeiten finden zur Zeit in Kroatien statt und über zwei Facebook-Seiten www.facebook. com/winnetou.film?fref=ts und www.facebook. com/winnetou.hrvatska?fref=ts ) werden Bilder und Informationen dazu gepostet. Hier auch ein kurzer Film aus dem kroatischen Fernsehen, der einen ersten Eindruck gibt:
http://dnevnik.hr/showbuzz /inmagazin/u-tijeku-je-snimanje-legendarnog-winnetoua-kraj-novog-vinodolskog---398745.html#video
Die Filme selbst sollen im Dez. 2016 bei RTL ausgestrahlt werden. Die bisher veröffentlichten Infos lassen befürchten, dass es wieder einmal zu einer sehr klischeehaften Darstellung der Indianer kommt. Es scheint, dass sich um wirkliche ethnologische Hintergründe nicht bemüht wurde. So werden die Apachen wie Prärieindianer dargestellt, aber in deren Lager befindet sich ein Totempfahl und laut Pressemitteilungen soll Lakota gesprochen werden. Weiterhin kommen z. B. Kanus zum Einsatz, die Ojibway Kanus nachempfunden sind, usw. Auch scheinen die Kostüme nicht wirklich historischen Vorbildern zu folgen. Besonders erschreckt hat mich die absolut respektlose Darstellung der fiktiven Winnetou-Schwester Ntschotschi (bauchfreie, erotisch angehauchte Kleiudung und Fantasiebemalung).
Verschiedene Personen haben sich auf der Facebookseite in diesem Sinne kritisch zu der Produktion geäussert. Von offizieller Seite wurde versucht diese Personen als Spinner, Fanatiker usw. hinzustellen. Inzwischen wurde die Kommentarfunktion auf der offiziellen Facebookseite für einige Kritiker gesperrt. Ich selbst wurde noch nicht gesperrt und habe mehrfach auf die Problematik hingewiesen.
Hier noch der Text meines Kommentars auf der offiziellen "Winnetou 2016"-Facebook-Seite:
Liebe Verantwortliche! Ich weiss nicht, ob die Diskussionen hier von Euch wahrgenommen werden. Wenn, habt ihr bemerkt, dass euer Projekt die Geister scheidet. Euer Herzblut und euren Enthusiasmus mag ich euch glauben. Was ich und andere, die sich etwas mit der Geschichte der Indianer befasst haben, kritisch macht, scheint ein fehlendes Problembewusstsein für die Darstellung der indianischen Völker zu sein. Natürlich verflimt ihr eine fiktive Geschichte - ein Wildwestmärchen. Aber darin kommen reale Völker vor. Wenn diese unzutreffend und klischeehaft dargestellt werden finde ich das im Jahr 2015 sehr problematisch. Die Bilder des Indianerlagers erinnern an Prärieindianer, es soll Lakota gesprochen werden - andererseits erscheint ein Totempfahl, der nicht in diese Kultur gehörte und dann sollen diese Indianer Apachen sein. Die indianischen Völker haben in den letzten 300 Jahren sehr gelitten. Neben dem Völkermord wurde ihre Kultur in den vergangenen 100 Jahren in Western und Romanen klischeehaft dargestellt. Entweder als Bestien oder als edle Wilde. Meines Erachtens haben Kunstschaffende eine Verantwortung diese Klischees nicht noch zu unterstützen. Nehmt einmal folgendes Beispiel: Ein US-Amerikanisches Filmteam dreht einen Film der im Norddeutschland des 19. Jahrhunderts spielt. Die Deutschen, die darin auftreten, werden mit bayerischem Diaklekt, in Lederhosen mit Sepplhut und Gamsbart und biertrinkend dargestellt. Sie wohnen in Schwarzwaldhäusern und haben Kuckucksuhren. Aber angesiedelt ist die ganze Handlung in Hamburg. Wie würden wir Deutschen uns vorkommen, wenn wir einen solchen Film sehen? Vermutlich würden sich die meisten darüber ärgern. Doch genau das passiert mit den indianischen Kulturen fortwährend. Es ist eine subtile Form des Rassismus, der sicher in eurem Fall ungewollt ist. Mehrfach wurde in Artikeln zum Projekt von "authentischer Darstellung" gesprochen. Das ist es aber gerade nicht, wenn Kulturen vermischt und geographisch falsch dargestellt werden. Auch das Engagement von Lakota Experten als Beratern ändert daran nichts, wenn es um ein anderes Volk geht. Es gibt nicht "die Indianer". Es gibt bzw. gab über 500 verschiedene Kulturen in Nordamerika, zum Teil hoch ausdifferenziert. Was bisher von eurem Filmprojekt zu sehen ist, zeigt bei allem guten Willen, dass leider die klischeehafte und damit letztlich respektlose Darstellung der indianischen Kulturen nicht überwunden scheint. Hier ein sehr aufschlussreicher englischer Link zur Darstellung von Native Americans in den Massenmedien:
http://mic.com/articles/124160/7-things ... ream-media
Ich bin der Meinung, man müsste gegen diesen Schund etwas unternehmen. D. h. Bewusstsein schaffen in der Öffentlichkeit und auch Organisationen der Native Americans darauf aufmerksam machen, wie hier wieder einmal ihre Kultur verunstaltet wird. Leider habe ich persönlich nicht wirklich Kontakte zu Native Americans und bewege mich nicht in dieser Szene. Aber vielleicht gibt es unter euch Forumsmitglieder Personen, die sich des Themas annehmen würden und entsprechende Kontakte haben.
Ich finde es jedenfalls erschreckend was da geschieht. Ginge es um einen Abenteuerfilm über Juden im 19. Jh. und diese würden ähnlich klischeehaft dargestellt, dann ging ein Aufschrei durch die Medienlandschaft.
Ich freue mich über Antworten.
Liebe Grüsse
Uwe