Rechtlicher und politischer Status der Indianer *




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Rechtlicher und politischer Status der Indianer *

Beitragvon Elk Woman » Fr 23. Jan 2009, 22:36

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(A/Elk)

DER RECHTLICHE UND POLITISCHE STATUS NORDAMERIKANISCHER INDIANER

Auszüge:

Der gemeinsame Hintergrund:
"Die USA und Kanada haben eine gemeinsame Kolonialgeschichte. Ihre Indianerpolitik ähnelte sich auch nach der Gründung selbständiger Staaten. Die heutigen Unterschiede spiegeln die Tatsache wider, dass Kanada weniger bevölkert als die USA war und der Prozess der Industrialisierung später einsetzte. Viele Teile Kanadas, insbesondere der Norden, sind für auswärtige Wirtschaftsinteressen erst in den letzten Jahrzehnten entdeckt worden. Heute noch bilden indigene Menschen dort die Mehrheit der Bevölkerung. Die Politik gegenüber indigenen Amerikanern hat sich im Zuge der raschen Ausbreitung der nicht-indianischen Bevölkerung gewandelt."

Indianer in den USA:
"Seit 1970 bemüht man sich in der US-Indianerpolitik, die Stämme zur Übernahme der administrativen und finanziellen Verantwortung für ihre eigenen Sozial- und Erziehungsprogramme zu ermuntern. Die finanzielle Unterstützung der Stammesregierung stieg in den Jahren nach 1970 sprunghaft an, fiel jedoch um 1980 wieder auf den Ausgangspunkt zurück.
Es scheint, dass sich die US-Indianerpolitik alle 20 bis 30 Jahre umkehrt, und sich vom Respekt für indianische Selbstverwaltung zu Bestrebungen wandelt, Indianerstämme aufzulösen und Indianer zu assimilieren. Aus einem anderen Blickwinkel jedoch hat sich die Grundsatzpolitik der Integration von Indianern in die US-Gesellschaft nie geändert. Nur die Methoden variieren. Sobald ein Programm zur Assimilation von Indianern am Weltbild der amerikanischen Gesellschaft scheitert, taucht eine neue Theorie zur Erklärung des "Indianerproblems" auf, und neue Methoden werden versucht.
Reservate umfassen heute kaum zwei Prozent der Landfläche der Vereinigten Staaten und sind die Heimat von ungefähr der Hälfte der 1.9 Millionen US-Indianer. Während Indianer üblicherweise dieselben Rechte wie alle US-Bürger genießen, sind sie nach wie vor die ärmsten Amerikaner. Die Möglichkeiten, sich tatsächlich selbst zu verwalten, sind beschränkt. Das Recht eines Stammes auf Selbstverwaltung wird einerseits als "inhärent", andererseits als "residual" bezeichnet. Diese Rechtstermini bedeuten praktisch, dass die Rechte der Indianer darauf beschränkt sind, worin sie der Kongress noch nicht eingeschränkt hat. Die Macht des Kongresses über Indianer wird weiteres noch als "plenary" bezeichnet. Dies bedeutet, dass der Kongress auch in der Lage ist, Verträge zu brechen und Stammesregierungen oder Reservate aufzulösen."

Indianer in Kanada:
"Das Indianergesetz (Indian Act), das 1869 verabschiedet und 1951 vollständig revidiert wurde, beschreibt eine sehr einfache parlamentarische Form der Selbstverwaltung für Reservatsindianer. Der gewählte "Häuptling" (Chief) und ein aus drei Mitgliedern bestehender "Stammesrat" (Band-Council) können Gesetze erlassen und Sozialdienste ermöglichen. Sie unterstehen allerdings gleichzeitig den meisten Bundes- und Provinzgesetzen und der Zustimmung des Ministers für Indianerangelegenheiten. Anders als die US-Indianer haben die Indianerstämme in Kanada kein eigenes Gerichtssystem und können über die Stammesmitgliedschaft nicht selbst befinden. Zur Nutzung oder Verpachtung von Reservatsland haben sie keine Berechtigung, ohne das Land zuerst dem Indianerminister übergeben, also "ausgeliefert", zu haben.
In der 1982 verabschiedeten Verfassung heißt es lediglich, dass "die bestehenden vertraglich garantierten Rechte der indigenen Völker Kanadas hiermit anerkannt und bestätigt werden". Die genaue Bedeutung des Begriffes "bestehende Rechte" sollte in einer Reihe von Gesprächen zwischen der Bundesregierung und ausgewählten Vertretern der kanadischen Indianer, Métis und Inuit geklärt werden. Bisher konnte allerdings keine Einigung erzielt werden. Die Indianer wollten die ausdrückliche Anerkennung ihres Rechtes auf Selbstverwaltung, aber dies stieß auf die Ablehnung seitens der kanadischen Provinzregierungen.
So sind bis heute die verfassungsmäßigen Rechte der kanadischen Indianer nicht definiert. Der zuständige Minister hat zwar einzelnen indianischen Gemeinschaften angeboten, Selbstverwaltungsabkommen zu schließen, die meisten indianischen Gruppen vertreten jedoch die Auffassung, dass ihre Rechte in der nationalen Verfassung verankert werden müssten.
Trotzdem hat Kanada einige ernst zu nehmende Initiativen gestartet, um Landrechtsstreitigkeiten und neue Mitregierungsformen mit einzelnen indigenen Gruppen in einigen Teilen des Landes auszuverhandeln. "
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"Die Lage in Kanada ist dennoch alles andere als stabil.
Aber es wächst ständig der Anteil der Indianer an der kanadischen Bevölkerung, besonders in den Reservaten und großen Städten Manitobas, Saskatchewans und Albertas, wo sie in manchen Wahlbezirken schon die Mehrheit stellen, und so an "Wählerstimmenmacht" gewinnen."
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"In den USA stellen die Indianer andererseits noch immer weniger als ein Prozent der Bevölkerung. Ironischerweise hat die bundesweite Erlaubnis, dass die Stämme Glücksspiel betreiben dürfen, um Geldmittel für Entwicklungsprojekte aufzutreiben, zu einem verschlechtertem öffentlichen Image der Stämme geführt. Obwohl Indianer immer mehr Einfluss auf die Verwaltung von Sozialprogrammen und öffentlichen Dienstleistungen in den Reservaten erhalten, gibt es wenige Anzeichen für die Änderung der zugrundeliegenden verfassungsrechtlichen Basis der Beziehungen zwischen den Stämmen, den Staaten und der Bundeseben"

Autor: Russell L. Barsh
Er ist als Rechtsanwalt und Politikwissenschaftler für viele verschiedene indianische Nationen in den USA und Kanada tätig. Er engagierte sich auch als Vertreter einer nicht-regierungsgebundenen Organisation (Four Directions Council) in der UNO für die Schaffung internationaler Rechtsnormen für indigene Völker.

Quelle:
Arbeitskreis Indianer Heute e.V.
http://www.indians-today.net/
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Hab auch bissel gestöbert und fand dies dazu ..hier
http://www.netzwerk-regenbogen.de/irokbd051101.html

Indianische Alternativen in Geschichte und Gegenwart sozialer Bewegungen und politischer Theorie:
Suffragetten, Kommunismus und der indigene Widerstand im 21. Jahrhundert


"Das revolutionäre Indianerbild verlor bald seine integrierende Kraft für das Amerika der Bundesverfassung von 1787.
Die Nähe zu radikaldemokratischen Ideen machte den Indianerkult der Revolutionsgesellschaften für die handfesten ökonomischen Interessen der herrschenden Elite der USA zunehmend weniger attraktiv.
Der indianische Widerstand an der expandierenden Westgrenze und die Parteinahme vieler Stämme für die englische Seite im zweiten Krieg gegen England (1812) taten ein übriges, positive Bezüge auf indianische Traditionen weitgehend zu diskreditieren.
Die vorübergehend attraktive Freiheitsikone des edlen Wilden wurde weitgehend von der verzerrten Fratze des brandschatzenden und mordenden Barbaren verdrängt.
Die Tradition des republikanischen Indianerbilds wurde auf ein kaum noch öffentlich wahrgenommenes ikonegraphisches Nebengleis gestellt.
Gleichwohl vermochten die im Verlauf des Unabhängigkeitskrieges versprengten und nun auf Reservationen zurückgedrängten Irokesen der demokratischen Bewegung auch im 19. Jahrhundert noch bemerkenswerte Impulse zu geben.
Die im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts weit um sich greifende Debatte um den Einfluss der Irokesen auf »Geist und Buchstaben« der US-amerikanischen Verfassung mündete schließlich in einer erstaunlichen Renaissance der Irokesen in der politischen Theorie, deren Ende noch überhaupt nicht abzusehen ist.

Die 1924 durch den Kongress angetragene Staatsbürgerschaft wurde damals wie heute von vielen Traditionalisten ausgeschlagen. Sie kämpfen stattdessen um die internationale Anerkennung ihrer Gemeinschaften als souveräne Nationen und die Wiederherstellung des in viele Gemeinschaften beiderseits der kanadisch-amerikanischen Grenze zersplitterten Irokesenbundes."
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(A/Wasicun-win)

Anmerkungen

Thomas Wagner ist Autor der ersten umfassenden Studie zur US-Debatte um den Einfluss der Irokesen auf die Verfassung:
»Irokesen und Demokratie. Ein Beitrag zur Soziologie interkultureller Kommunikation.«
Münster: Lit-Verlag 2004, 400 S., kt., 21,90 Euro

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(A/Elk )

Hi, Wasi,
vielen Dank für Deine wirklich interessante Ergänzung !!!

Auch wenn wir schon oft so was mit angeschnitten haben in manchem Thread, ist es doch meiner Meinung nach wichtig die "nicht so leicht durchschaubaren Einflüsse auf die Situation der Natives in USA und Kanada" noch mal extra zu vertiefen, denn da spielen soviel geschichtliche Ereignisse und Entscheidungen, wirtschaftliche - wie politische Interessen in den Staatsformationen bis in die einzelnen Bundesstaaten und auch der einzelner Indianerstämme mit hinein, dass ich mich immer schwer tue eine globale persönliche Meinung dazu öffentlich abzugeben .
(d.h., da man eben halt im Einzelnen viel nachlesen und verarbeiten kann, aber "immer noch Laie ist" was alles insgesamt betrifft. Schon die zuständigen einzelnen rechtlichen Organe sind so kompliziert, dass man diese schon ganz genau kennen müsste, bissel Ahnung von Rechtsorganen und deren Strukturen in den Staaten und fast bissel Ahnung von Jura haben müsste, um darüber urteilen oder auch nur mitreden zu können...
So bleiben es halt nur bei der persönliches Erkenntnis:
"Das eben nicht alles recht ist was Recht heißt !")

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