Hi Elk,
ich habe mir heute die Doku und auch die über William Bradford und die Pilgerväter der Mayflower angesehen, wobei ich letztere fast noch interessanter fand, da ich den Einfluss der Puritaner auf die "Gründung" Amerikas und die Etablierung der Werte, die dort noch heute groß geschrieben werden, etwas unterschätzt hatte. Es war schon sehr spannend, zu erfahren, dass sie aufgrund ihrer zwar tief religiösen, aber im menschlichen Bereich sehr liberalen und gerechten Haltung die Grundlage für die Demokratie schufen und die ersten bürgerlichen Gesetze erließen, die auch eine strikte Trennung von Kirche und Staat bedeuteten. In beiden Dokus fand ich die Auswahl der Interviewten sehr ausgewogen. Auch indianische Stammesführer, Wissenschaftler und sogar eine Medizinfrau kamen zu Wort. So wurde die negative Seite der Kolonisierung nicht unter den Teppich gekehrt oder beschönigt. Aber nun zurück zu Pocahontas:
Überwiegend decken sich die in der Doku getroffenen Aussagen mit deinen Zitaten, aber in einer Sache gibt es eine deutliche Abweichung:
Und gerade der von Dir erwähnte Film zeigte eigentlich die katastrophalen Lebensumstände der Siedler ; die ja auch um die Zeit aus einfachen Verhältnissen stammend "nicht zu gebildet waren.." ( darf man auch nicht vergessen).
Das die Siedler der Gruppe, die von John Smith angeführt wurde, aus einfachen Verhältnissen stammten, ist klar widerlegt. 1994 wurde das alte Jamestown bei archäologischen Ausgrabungen wieder entdeckt. Man fand neben den Beweisen für die entbehrungsreiche Zeit (Knochen von Ratten, Katzen, Hunden und Pferden, die die Siedler in ihrer Not essen mussten) auch chinesisches Porzellan, wertvolle Keramik, Siegelringe und Schmuckstücke. Die erste Gruppe bestand ausschließlich aus jungen Männern, die in der Neuen Welt ihr Glück machen und Geld verdienen wollten. Sie hatten eigentlich nicht vor, als Farmer zu leben. Viele dieser Leute waren zweit- oder drittgeborene Söhne europäischer Adelsfamilien, die in der alten Heimat damals keinen Anspruch auf ein Erbe hatten, und sie waren durchaus gebildet.
John Smith hat selbst ausführliche Aufzeichnungen angefertigt, auch über Pocahontas und seine Zeit mit ihr, und er hat Karten der Region gezeichnet und diese dem englischen Hof übergeben. Auch die Taufe von Pocahontas während ihrer einjährigen Gefangenschaft ist belegt. Und es gibt ein Abstammungsbuch, in dem alle Nachfahren von Pocahontas und John Rolfe aufgeführt sind (ihr kleiner Sohn überlebte und hatte selbst Kinder). Die Nachfahren waren über viele Generationen hinweg angesehene und teilweise hochrangige Bürger der Kolonie. Heute leben allerdings nur noch wenige erwiesene Nachfahren. Auch die über Generationen weiter gegebenen mündlichen Überlieferungen der Indianer taugen als Zeitzeugenberichte, auch wenn sie für Ausschmückungen und Halbwahrheiten sicher noch anfälliger sind als schriftliche Berichte.
Ob John Smith und Pocahontas eine Liebesbeziehung hatten, konnte auch die Doku nicht klären. Fest steht aber, dass sie einander in Respekt und Freundschaft verbunden waren und viel voneinander lernen konnten. John Smith genoss unter den Indianern ein hohes Ansehen, er war so etwas wie ein Adoptivsohn des Häuptlings Powhatan, und Pocahontas sah in ihm gemäß ihrer Erziehung einen großen Bruder - der sie allerdings enttäuschte, indem er nach England zurückkehrte, ohne dass sie etwas davon erfuhr. Lange Zeit hielt sie ihn für tot. Erst in England traf sie ihn wieder.
Unumstritten ist allerdings, dass die Verbindung von Pocahontas und John Smith den Siedlern zunächst großen Nutzen brachte. Dadurch verbesserten sich die Beziehungen zwischen ihnen und den Indianern, und die Kolonie konnte Fuß fassen. Nach John Smiths Abreise verschlechterte sich das Klima, und erst nachdem Pocahontas als Geisel genommen wurde und später John Rolfe heiratete, relativierten sich die Verhältnisse wieder. Bei allem Mythos, der um sie gesponnen wird, hat sie doch einen wichtigen Beitrag zur Kolonisierung geleistet - was allerdings auch dazu führt, dass sie von den Indianern nicht verklärt und romantisiert wird.
LG Jana
P. S.: Die Doku wird sicher noch mehrmals wiederholt, vielleicht schaffst du es doch noch, sie anzusehen oder aufzunehmen.