125 Jahre Dawes Act




Einwanderungsgeschichte in den USA, Kanada, Mittel- und Südamerika und allgemeine indianische Geschichte
USA, Canada, Central, and South America: Immigration history and general history of Native Americans

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125 Jahre Dawes Act

Beitragvon Bärbel » Mi 8. Feb 2012, 16:41

Was ein Timing! Da Rob so schön darauf aufmerksam machte, dass wieder ein gewisses Landstück in Reservationsland umgewandelt wurde, passt wohl auch gerade dieses Thema hier:

Ausgerechnet heute ist nämlich der 125. Jahrestag des Dawes Act.

http://indiancountrytodaymedianetwork.c ... n=fb-posts

(relativ frei übersetzt ;) )
Senator Henry Dawes von Massachussetts (1816 - 1903) glaubte fest an die "zivilisierende Wirkung" von Eigentum an Grund und Boden. Seiner Meinung nach, konnte man nur "zivilisiert" sein, wenn man zivilisierte Kleidung trägt, den Boden kultiviert, in einem Haus lebt, einen Studebaker fährt, die Kinder in die Schule schickt, Whiskey trinkt und Grund und Boden besitzt.

Er war davon derart überzeugt, dass er in den 1880ern die Legislative unterstützte, indem sie Indianer durch die Zuweisung von individuellen "Allottements" (zur Nutzung überlassene Grundstücke) "zivilisiere". Das Ergebnis hatte allerdings verheerende Folgen. Land, welches ursprünglich gemeinschaftliches Stammesland war und somit jedem Stammesmitglied eine Heimat geboten hatte, wurde zerteilt, wodurch indianische Gemeinschaften, Traditionen und Kultur zerstört wurden. Die indianischen Nationen verloren darurch Millionen Hektar Land, welches sie seit Menschengedenken immer versorgt hatte. Ausserdem wurde dadurch Indianerland für europäische Siedler geöffnet, die in Erfüllung des "Manifest Destiny" davon überzeugt waren, dass es Gottes Wille sei, dass Amerikaner (christlich, europäischer Herkunft) das Land zwischen Atlantik und Pazifik besitzen.

Am heutigen 8. Februar nun jährt sich der Tag zum 125. Mal, an dem der "General Allottement Act", auch bekannt als "Dawes Act" in Kraft trat. Dieser Dawes Act war einer der effektivsten Bausteine der kolonialen und imperialistischen Strategien gegen indigene Völker - eine Strategie, die politische, militärische und ökonomische Taktiken kombinierte, um die Macht über eine andere Macht zu verstärken, indem man diese andere Macht in individuelle Einheiten aufstaltete, die einer Dominierung nicht standhalten konnte.

...

Der Dawes Act warf die ursprüngliche Anerkennung von Stammessouveränität über den Haufen und widersprach den Regierungspflichten Rechte, Land, Zugang und Ressourcen gemäß den mit den Stämmen geschlossenen Verträgen zu schützen. Aufgrund des Dawes Act schrumpfte das Stammeseigene Land von 138 Millionen acre in 1887 auf 48 Millionen in 1934.

Der Dawes Act war der Gipfel jahrzehtelanger Bemühungen der Regierung, die Indianer aus ihrer angestammten Heimat zu entfernen, während die europäische Siedlungswelle vom Nordosten nach Süden und Westen schwappte. Gleichzeitig beinhaltete der Vorsatz, die indigenen Völker zu zivilisieren und anzupassen, indianische Kinder in brutale "boarding schools" zu stecken und indigene Religion, Sprache und Kulturausübung zu verbannen. Im jährlichen Bericht des Kommissioners für Indianerangelegenheiten an den Secretary für Inneres aus dem Jahre 1886 bittet Dawes die Regierung, die Indianer auf eigenes Land zu setzen, mit Werkzeugen auszustatten und ihnen deren Nutzung zu zeigen, ... Landwirtschaft wäre der einzige Weg, die Indianer aus ihrer Misere herauszuführen. Bereits im nächsten Jahr wurde der General Allottement Act verabschiedet.

Abgesehen von den Cherokee, Cree, Choctaw, Chickasaw, Seminolen, Osage, Miami, Peoria, Sac and Fox im Indianer-Territorium, und den Reservationen der Seneca im Staate New York sowie einem Landstreifen in Nebraska galt dies für alle Indianer-Nationen.

Somit gab der Dawes Act dem Präsidenten die Möglichkeit, Indianer-Reservationen nach Gutdünken aufzulösen, wenn er der Meinung war, landwirtschaftliche oder weidelandliche Zwecke wären vorteilhafter. Der Präsident konnte dann das Land unter den dort lebenden Indianern aufteilen. Ein Familienoberhaupt erhielt 160 acre, eine Einzelperson oder Waise von mehr als 18 Jahren 80 acre und Jungen unter 18 erhielten 40 acre. Unverheiratete Frauen hatten kein Anrecht auf ein entsprechendes Allottement.

Diese Allottements gaben den Besitzern allerdings nicht Eigentumsrechte im europäischen Sinne, die Grundstücke standen weiterhin unter Regierungsverwaltung. Nach 25 Jahren konnten sie zwar in den Besitz des Allotements-Begünstigten Indianers übergehen, jedoch musste dieser Indianer nach Ablauf der 25 Jahre dann auch die Steuern dafür zahlen. Da dies vielen Indianern unmöglich war, verloren sie die Eigentumsrechte wieder.

...

Wer sich trotz eigentlichem Anrecht auf solch ein Allottement dagegen entschied, erhielt eine Abfindung in Form einer "US Citizenship"

... Fortsetzung folgt
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von Anzeige » Mi 8. Feb 2012, 16:41

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Re: 125 Jahre Dawes Act

Beitragvon Bärbel » Fr 10. Feb 2012, 11:39

Andere Allottements wurden dadurch verloren, dass nach dem Tod des eigentlichen Allottement-Inhabers das Land unter seinen Erben aufgeteilt wurde. Somit wurden die individual gehaltenen Grundstücke jedoch immer kleiner und ab Unterschreitung einer gewissen Mindestgröße, fielen auch diese Grundstücke aus dem "Indianereigentum". Einer solchen Aufsplitterung konnte man zwar entgehen, wenn sich ALLE Erben einig waren (und dies auch juristisch hieb und stichfest dokumentierten), dass sie eine solche Aufsplitterung nicht wünschen. (Heutzutage ist es allerdings oftmals beliebig schwierig, wirklich ALLE Erben und deren Rechtsnachfolger aufzutreiben, da sie oftmals in alle Winde verstreut sind, unter den nachfolgenden Generationen keine Kontakte mehr bestehen und dadurch die Rechtsnachfolger unbekannt sind u.ä.)

Die "verlorenen" Allottements konnten von anderen Personen - wie z.B. auch Nicht-indianischen Siedlern - aufgekauft werden, so dass auf eigentlichem Reservatsland nun Indianer und Nicht-Indianer nebeneinander lebten, sog. checkerboarding.

Am 18.6.1934 wurde zwar der sog. "Indian Reorganization Act" (IRA) verabschiedet, der eigentlich die (zumindest teilweise) Umkehrung der Privatisierung durch den Dawes Act ermöglichen und somit die Souveränität und Selbstverwaltung der Stämme wieder herstellen und den ständigen Verlust an Reservationsland aufhalten sollte. Jedoch noch während im Congress über diese Gesetzesvorlage beraten wurde, ergaben sich zahlreiche Änderungsanträge, so dass der eigentlich geplante Schutz der Indianer stark aufgeweicht wurde und die Oberaufsicht durch das BIA (Bureau of Indian Affairs) trotz allem bestehen blieb.

Immerhin, der Indian Reorganization Act verlangsamte die Umwandlung von Stammes-Gemeinschafts-Land in Individualeigentum durch die Vergabe von Allottements, und reduzierte den ständigen Verlust an Indianerland durch den Verkauf der abgetretenen Allottements an Nicht-Indianer. (Durch solche Landverkäufe an Nicht-Indianer war nämlich die Situation entstanden, dass für gewisse Landstriche Stammesland nun Nutzungsrechte sowohl für Indianer als auch Nicht-Indianer bestanden, was eine ganzheitliche Verwaltung erschwerte (bis unmöglich machte).) Und innerhalb der ersten 20 Jahre nach Verabschiedung des Indian Reorganization Acts wurde auf diese Weise zumindest zwei Millionen acres wieder an die unterschiedlichsten Stämme zurückgegeben.

Allerdings können nur "federally recognized tribes", also von der Bundesregierung anerkannte Stämme, auf diese Art und Weise Land zurückerhalten (und auch das nur, wenn der Stamm dieses Land zunächst käuflich erwirbt, in "trust land" umwandelt und dann ... unter Berücksichtigung der auch in USA langsam mahlenden Bürokratiemühlen ... VIELLEICHT.)

Tja, und da diese Bundesregierung leider immer noch relativ willkürlich entscheiden kann, ob ein Stamm nun als freie und unabhängige Nation anerkannt wird oder nicht, kann man sich die Begeisterung der Indianer ob dieses Zustandes wohl lebhaft vorstellen.

... nur mal so ein bisschen als Hintergrund für so Artikel wie den von Rob eingestellten Link bezüglich des Gebietes in der Nähe von Demming, New Mexico.

Gruss
Bärbel
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Re: 125 Jahre Dawes Act

Beitragvon Elk Woman » Fr 10. Feb 2012, 15:42

Super Bärbel, danke für Deine Mühe in der Zusammenfassung des doch sehr schwierigen " Dawes Act" ( und seinen Updates..)bzw. im Hinblick auf die Probleme die sich heute durch diese "treuhändlerische.." Verwaltung von Stammesland ergeben. Also doch nicht so einfach wie es reine Erfolgsmeldungen in Presse und Netz zu sein scheinen...?
( Wie ich kürzlich las, gibts wohl um die noch durch Elouise Cobell erstrittene Stammesland "Widergutmachung .." (Blackfeetsammelklage) und die scheinbare Erfolgsmeldungdazu , d.h. man denkt ja da an Sofortmaßnahmen... auch noch Irritationen. ...? Muß unbedingt mal sehen wo das stand..)

Hier auch ein Überblick über die verworrenen Wege des Dawn Act :
http://de.wikipedia.org/wiki/Dawes_Act

LG,

elk

P.S:
Wahrscheinlich hatte ich dies ( oberster Beitrag / vom Februar) gelesen :
http://buffalopost.net/?cat=203
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(John Donne)
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