Attawapiskat




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Attawapiskat

Beitragvon Ellen » Sa 4. Feb 2012, 16:00

Attawapiskat ist uns ja schon aus dem Thema Shannens Traum bekannt.
Diese kleine Gemeinde an der James Bay im Norden Ontarios ist seit etlichen Wochen erneut in den Schlagzeilen, nachdem Chief Theresa Spence Ende Oktober wegen unhaltbarer Zustände bezüglich der Unterbringung etlicher Einwohner den Notstand ausgerufen hatte. Die Regierung hat daraufhin der Führung der Attawapiskat FN Missmanagement vorgeworfen und die Gemeinde unter "Third-Party Management" gestellt. Das bedeutet, dass Gelder nicht mehr an die First Nation direkt gehen, sondern eine Art Verwalter die Verantwortung für die Finanzen hat. Dieses Verhalten hat natürlich zu heftigen Diskussionen geführt.
Zugleich haben Hilfsorganisationen wie Red Cross Canada und True North Aid die Öffentlichkeit zur Unterstützung der Gemeinde aufgerufen. Sie sind nach Attawapiskat gegangen und haben dringend benötigte Hilfsgüter hingebracht. Im Dezember waren der National Chief Shawn Atleo mit einer Delegation dort sowie verschiedene Parlamentsmitglieder. Tom Jackson hat nach Abschluss seiner Benefizkonzerttournee kurz vor Weihnachten in Attawapiskat ein Konzert für die Bewohner gegeben und dabei Truthähne und andere Geschenke mitgebracht.
Ein Gemeindehaus wurde als Behelfsquartier hergerichtet, damit einige der Bewohner nicht weiter im Winterwetter in Zelten ohne Heizung und fließendes Wasser hausen mussten.
Die Regierung hat 22 aus Fertigteilen gefertigte Häuser gekauft, die aber immer noch nicht in Attawapiskat angekommen sind, weil die Winterstraßen noch nicht befahren werden können. Die sollen nun wohl endlich nächste Woche nach Attawapiskat gebracht werden. Allerdings ist die Aufstellung der Häuser wohl noch nicht vorbereitet, weil die Attawapiskat FN den Third-Party Manager nicht anerkennt und sie deshalb kein Geld mehr bekommen.
Attawapiskat hat diese Woche vor Gericht gegen die Einsetzung des Managers geklagt und verloren.
Das ist der jetzige Stand der Dinge.
Leider gibt es viele First Nations, in denen Menschen unter den gleichen unhaltbaren Zuständen leben wie in Attawapiskat.

Shacks and slop pails: infrastructure crisis on native reserves

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von Anzeige » Sa 4. Feb 2012, 16:00

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Re: Attawapiskat

Beitragvon Elk Woman » Sa 4. Feb 2012, 23:50

Hi, Ellen,

danke erst einmal für den neuen interessanten Beitrag.

Scheint wirklich eine ganz blöde Lage, in der sich die First Nation Attawapiskat befindet !

Wahrscheinlich auch mit erhöhten Verwaltungskosten für das ihnen vorgesetzte "Thirt Party Management " , die sie dann tragen müssen ? ( d.h. wenn ich in dem nachfolgenden Link den Punkt 2 richtig verstehe..?)

Also, ich musste mich erst mal schlau machen zu dem Begriff überhaupt, obgleich das wohl inzwischen schon eine globale Form von ausgelagerter Gelderverwaltung und deren Befinden was notwendig und was nicht, bzw. in welchem Verwaltungs- und Kostenaufwand, ist..?

Aber bin wohl zu wenig mit der Sache im Vorfeld an sich vertraut (bzw. fehlt mir dazu das ökonomisch Grundwissen um es besser zu verstehen).

Bitte:

Vielleicht hast Du das über längere Zeit verfolgt und kannst noch bissel was dazu posten ? ( Auch das mit dem scheinbar vorangegangen Co-Management, was ich auch nicht richtig nachvollziehen kann, wenigstens müsste ich dazu die ganzen Stellungnahmen im Netz in engl. Sprache nachvollziehend noch lesen..., d.h. schaff ich auch im ganzen Leben nicht. )

Siehe:
http://www.cbc.ca/news/politics/story/2011/12/01/pol-five-things-attawapiskat-intervention-policy.html

Auszug:
"…Attawapiskat had been at the next level, co-management, for almost 10 years, and the government elevated it to third-party management on Nov. 30.

2. The difference between co- and third-party management
The band council and the department agree on a co-manager, who gets signing authority for all accounts containing AAND funding. The band pays for the manager. Under third-party management, all funding goes through a manager appointed by the department to administer it. The manager, whose salary is paid by the band, decides which band staff are required to run its programs and services."


Danke !

LG,

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Re: Attawapiskat

Beitragvon Ellen » So 5. Feb 2012, 11:45

Ich habe zwar die Entwicklung in Attawapiskat seit Ende November verfolgt - und wollte eigentlich schon seit Dezember das hier mal ansprechen -, hatte aber gerade in den vergangenen Wochen keine Zeit, mich da in alle Einzelheiten einzulesen.
Ich verstehe das so, dass beim Co-Management dem Band Chief und Council ein Experte als Hilfe an die Seite gestellt wird und sie gemeinsam versuchen, die Probleme in den Griff zu kriegen. Beim Third-Party Management dagegen verwaltet dann praktisch dieser Third-Party Manager das Geld, das die FN vom Ministerium bekommt.
Hierzu die Seiten des Ministeriums:
Backgrounder – Default Prevention and Management Policy
Backgrounder - Third-Party Management

Der TPM ist bis zum 30.6.2012 eingesetzt. Die Kosten dafür, die von der Attawapiskat FN zu tragen sind, betragen etwa 180.000 $.
Attawapiskat to pay $180,000 for third-party manager

Unter diesem APTN Bericht sind "tags", einer davon Attawapiskat. Wenn man darauf klickt, kommt man zu allen Videos von APTN zu dem Thema. In einem kann man auch sehen, wie die Häuser aussehen, die da hingebracht werden sollen. Das war mir auch nicht so ganz klar.

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Re: Attawapiskat

Beitragvon Elk Woman » So 5. Feb 2012, 13:36

Hi, Ellen,

danke für Deine Aufklärung und die Webseitenlinks , die mir auch bissel mehr Licht in die Sache brachten, auch wenn sie für die Attawapiskat im Moment das Betrüblichste sind, weil sie sich bevormundet fühlen. ( was ja auch dann so ist).
Andererseits entnehme ich allen bisherigen Infos - das wohl Pkt. 1 +2
( Link : http://www.aadnc-aandc.gc.ca/eng/1322681440476 )
des Auflagenprogramms zur ökonomischen Verwaltung der staatlichen Gelder nicht so recht geklappt haben ( sonst wäre ja da sicher nicht ganz so ein erschreckender Notstand ..) und daraus folgend dann Pkt. 3 ( Drittverwaltung) in Kraft tritt.

Ich kann natürlich nicht einschätzen ob das auf dem "Papier" stehende dann wirklich umgesetzt wird, d.h .:

"The DPMP exists to help First Nations improve their financial management and reporting practices and to develop their capacity to be self managing."

Pkt 3.
"Third-Party Managed: The Third-Party Manager, contracted by AANDC, administers AANDC funding for the delivery of programs and services and works to remedy the underlying causes of the default.
When deciding what measures to take, the Department weighs risks and circumstances associated with the default, the degree of co-operation between the recipient and the Department, and the willingness and ability of the recipient to remedy the default.
Depending on the scale of involvement by the Department, a recommendation indicating the level of intervention required will be approved by a Funding Services Manager, a regional Transfer Payment Management Committee, or by a Program or Regional Director General.
The decision to intervene is not taken lightly. Appointment of a Third-Party Manager is used as a last resort to ensure the continued delivery of programs and services to community members.
First Nations who are in default are regularly re-assessed to determine whether their level of intervention should be escalated or de-escalated. As a result, the number of First Nations under intervention and their level of intervention fluctuate over time."


Aber wenn das der Fall ist, dann wird man wohl sich auf diese sicher sehr schmerzhafte, einschneidende Art "helfen lassen" müssen, denn ein Gelder-und Nutzen-Management kann halt nicht Jeder so einfach und da es sich um Hilfefondsmittel handelt, müssten die schon Schritt für Schritt als aufbauende Hilfe ankommen, sonst verpufft das Geld.
(Insofern haben die staatlichen Stellen, meiner Meinung nach.., schon noch bissel Mitspracherecht wie ihre Gelder verwendet werden ..bzw. ob sie dem beabsichtigten Erfolg für die Gemeinschaft auch entsprechen , da die Gemeinschaft ja erneut um Hilfsgelder gebeten hatte / und die Attawapiskat Gemeinde ja kein Einzelfall ist, wo staatliche Hilfsfonds hinfließen sollen...)

Wenn ich das richtig verstehe ( und es Programmgemäß stimmt), dann ist das auch eine laufende Sache der Überprüfung d.h. ob dieser Status noch weitergeführt werden sollte oder die Verantwortung wieder zurück zum Stammesrat geht... ?

Ergo, würde ich es "so gesehen" ( auch wenn manch einer mir sicher jetzt die Ohren anknabbern möchte.. :mrgreen: ) als bittere, aber notwendige Pille ansehen.

Andere Meinungen dazu ? Dann bitte "hier darf / sollte" mal mitdiskutiert werden. Bitte !


LG,

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Re: Attawapiskat

Beitragvon Ellen » So 5. Feb 2012, 14:58

Dem Vorwurf des Missmanagements in Attawapiskat, den Minister Duncan geäußert hat, stehen andere Meinungen gegenüber, die besagen, dass die First Nations eben nur unzureichende Geldmittel für Unterbringung, Gesundheit und Erziehung erhalten.
Der Begriff "staatliche Hilfsfonds" ist in dem Zusammenhang auch etwas irreführend, weil es sich hier um Gelder handelt, die den First Nations in den Treaties zugesichert wurden.

Artikel in der Winnipeg Free Press:
'Reserves are surrounded by money. But most receive little.'

Blog von âpihtawikosisân:
Dealing with comments about Attawapiskat

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Re: Attawapiskat

Beitragvon Ellen » So 5. Feb 2012, 15:48

CTV-Videoclip eines kurzen Gesprächs zum Thema Attawapiskat vom 15.12.2011, in dem die oben genannten Dinge angesprochen werden: (beginnt nach der Werbung)

Canada AM: Spotlight on deplorable conditions

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Re: Attawapiskat

Beitragvon Hetane » So 5. Feb 2012, 16:41

Hallo "Ellen"

finde ich sehr gut, dass du diese Problematik in Attawapiskat hier mal separat zum Thema gemacht hast. Während ich seit dem vergangenem Jahr viel über die Kommune gelesen habe, war mir die Sache mit dem Third - Party - Management bislang nicht bekannt.Abgesehen vom Schulproblem herrschen in Attawapiskat seit vielen Jahren Zustände , wie in der dritten Welt. Eines der Probleme ist das nunmehr wiederholte Versagen des Abwasser- Pumpsystemes. Es gab schon mindestens zweimal einen Rückstau, wobei viele Häuser oder Wohnungen mit Abwässern kontaminiert und für mehrere Wochen unbewohnbar wurden. Vor mehreren Jahren gab es diesbezüglich sogar eine Strassenblockade, um die Öffentlichkeit auf die Probleme in der Kommune aufmerksam zu machen. Die Regierung schiebt die Schuld an den Misständen jedesmal dem Stammesrat in Attawapiskat zu, was eine Verleumdung ist. Politische Unterstützung erfährt die Kommune seit Jahren immer wieder von Charlie Angus, einem Mitglied des Parlamentes. Angus hat diesbezüglich erst vor einigen Wochen einen "offenen Brief" an die UN gerichtet, worin die Misstände in der Kommune angeprangert werden.
Hier ein Link dazu : http://www.huffingtonpost.ca/charlie-an ... 61842.html

Gleichwohl aller Misstände sehen die Menschen Attawapiskat als ihre Heimat, wo sie leben, lernen und ihre Kultur bewahren möchten. In der durchaus etwas isoliert gelegenen Kommune, dort, wo die nächste wirklich gut ausgebaute Strasse mehr als dreihundert Kilometer entfernt ist, verlangen die Menschen nichts mehr als einige Grundrechte, wie sie in Kanada für alle Menschen gelten sollten. Auch hier können wir wieder Chelsea Edwards begegnen. Vor ein paar Jahren hat sie mal etwas über
das Leben und ihrer Kultur in Attawapiskat geschildert.

http://www.afnea.com/Growing%20up%20as%20a%20Native.htm

An dieser Stelle natürlich auch ein Danke an "Elk" für die Mitarbeit zu diesem Thema.

Viele Grüße Hetane
Hetane
 

Re: Attawapiskat

Beitragvon Elk Woman » So 5. Feb 2012, 18:04

Danke auch zurück an Hetane, der sich nicht scheut mal ein Thema mit dazugehörigen Hintergrundlinks mit zu beleuchten . Denke, nur so kommen wir zu einem abgerundeten Bild, sonst krebst man im eigenen Saft und werde morgen mal die neuen Links auch dazu lesen.

LG,

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Re: Attawapiskat

Beitragvon Ellen » Di 7. Feb 2012, 11:25

Die Winterstraße ist jetzt für schwere Transporte geöffnet, aber es konnten noch keine Häuser nach Attawapiskat gebracht werden, weil dort eben keine Plätze für die Aufstellung der Häuser vorbereitet wurden. Das liegt an dem Streit zwischen Chief/Council in Attawapiskat und den Regierungsstellen. Das Problem ist, dass diese Straße nur für eine gewisse Zeit nutzbar sein wird.

Attawapiskat-bound homes delayed

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Re: Attawapiskat

Beitragvon Ellen » Mo 13. Feb 2012, 15:29

Am Wochenende sind die ersten 3 der 22 Häuser in Attawapiskat eingetroffen. Es ist aber noch Arbeit nötig, bevor sie auch bezogen werden können.

Ende November hat CBC eine Seite mit Videoclips, Infos und links zu Attawapiskat erstellt. Eins der Videos ist ein Ausschnitt aus der Doku 8th Fire über Attawapiskat, ein anderes berichtet über die hohe Selbstmordrate Jugendlicher in Pikangikum.

VIDEO: A view from Attawapiskat before the crisis

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