Ja stimmt, Powwows sind keine Show, keine "Unterhaltungsvorstellung". Es sind - auch heute noch - Feiern, wo alte Traditionen zelebriert werden und die zu grossen Teilen auch durchaus als Zeremonie gewertet werden können/müssen.
Noch ein Satz (oder was mehr
) zu dem, was dann ja leider im Nirvana verschwand:
Ziel hier ist es nicht, die "Diskussion" zwischen europäischen Powwow-Tänzern und Gegnern solcher Veranstaltungen aufkommen zu lassen - die Fronten hierbei sind ja bekannter Massen sehr verhärtet. Deshalb versuche ich mal, diesen von Dir Elk zitierten Artikel aus einem anderen Blickwinkel zu sehen. Zu Journalisten und ihrer Art von Berichterstattung habe ich ein durchaus "gespaltenes Verhältnis". Eine Überschrift wie "mehr als 100 Indianer tanzten in..." ist natürlich reine Erfindung des Autors. Wir wissen alle, dass auf solchen, hier in Europa abgehaltenen Veranstaltungen nicht ernsthaft 100 Indianer anwesend sind. Wenn, dann kann man diese an den Fingern abzählen - und braucht dafür meist auch nicht mehr als eine Hand. Es waren also eher 100 Menschen, die in eindrucksvoll bunten, meist in mühevoller Kleinarbeit selbstgefertigten Klamotten rumliefen und dadurch so aussahen, wie das, was sich Otto-Normal-Verbraucher klischeehaft unter Indianer vorstellt. Ich gehe davon aus, die meisten dieser bunt gekleideten Menschen sind sich durchaus bewusst, dass sie allein durch die Kleidung noch lange keine Indianer sind (die "schwarzen Schafe", die es zwar leider unbestritten auch immer wieder gibt, die tatsächlich glauben, sie müssten nur die passenden Klamotten tragen, dann wären sie auch Indianer, lassen wir mal aussen vor) und werden deshalb dem Autor des Artikels kaum die Überschrift so diktiert haben. Das hat er wohl mehr aus effekthascherischen Gesichtspunkten heraus so geschreiben.
Wie gesagt, ich selbst war bisher nur auf einem einzigen Powwow in den USA und noch auf keiner einzigen Veranstaltung ähnlich dem oben zitierten Artikel hier in Deutschland. Ich habe aber durchaus häufig das Gespräch gesucht, sowohl zu Indianern als auch zu deutschen Teilnehmern an o.g. Veranstaltungen, und mal gefragt, was "Powwow" denn für sie bedeutet. Seltsamerweise war kein einziger Deutscher bereit, mir ernsthaft Auskunft über seine/ihre Motivation zu geben, bei den von mir befragten Indianern gab es niemanden, der nicht sofort eine Antwort hatte. ... das folgende ist also das, was ich von Indianern dazu hörte:
Ungeachtet der verscheidenen Tanzkategorien gibt es verscheidene Arten von Tänzern. Da sind zum einen die, die ganz traditionell den Kontakt zu ihrem Schöpfer und den Ahnen suchen. Wettbewerb interessiert sie überhaupt nicht, das Tanzen hat für sie hauptsächlich spirituelle Bedeutung. Gemäss dem Titel dieses Unterforums hier (Vergleich mit europäischen Kulturen) ist die Teilnahme an solch einem Powwow also eine Art "Gottesdienst" und das Tanzen eine Form von "Gebet". Viele der Tänzer tanzen auch nicht nur für sich sondern auch für all diejenigen, die das gerade - aus welchen Gründen auch immer - nicht selber können. Eine Art von "Fürbitten" gibt es also auch.
Dann gibt es die Tänzer, die ZUSÄTZLICH zu dem oben genannten auch am Wettbewerb interessiert sind. Diese reisen dann auch oftmals von Powwow zu Powwow, denn das dort ausgelobte Preisgeld ist nicht selten Lebensgrundlage für so manch eine Familie.
UND es gibt Tänzer, die DARÜBER HINAUS auch noch zu reinen Showzwecken tanzen. Ein Bekannter von mir, Worldmaster im Fancy Dance, reist schon viele Jahre zu den verscheidensten Powwows. Bei manchen steht auch für ihn das Spirituelle im Vordergrund, bei anderen freut er sich auch auf den Wettbewerb. Wenn man ihn bucht, macht er aber auch Showveranstaltungen, was ihn auch schon öfters nach Europa, zuletzt nach Amsterdam, geführt hat. Ebenso ein anderer Bekannter von mir, mehrfacher Worldchampion im Hoop Dance, zu Showzwecken war auch er schon mehrfach in England und ist auch schon auf Veranstaltungen hier in Deutschland gewesen. Beide sagten allerdings auch, dass eben diese Veranstaltungen in Europa für sie reine Shows sind. Die Energien, die ich weiter oben mal angesprochen habe, aber eben nicht dort sondern auf den "richtigen" Powwows auf dem amerikanischen Kontinent fliessen.
Ich selbst bin ja nun alles andere als "esotherisch angehaucht" und hätte nie gedacht, dass ausgerechnet ich mal empfänglich für solche Energieflüsse sein könnte. Auf dem von mir besuchten Powwow wurde ich allerdings eines besseren belehrt: Ohne Zweifel sind die bunten, kunstvoll gefertigten Trachten sehr beeindruckend. Dazu die Musik, der ständige Rythmus der Trommel ... ja, das hat was. Am meisten beeindruckt hat mich aber der Gourd Dance. Getanzt von Menschen "im gesetzteren Alter", alles Mitglieder der Gourd Dance Society - also einer Art Ehrengilde - die bei weitem nicht so aufwendig und bunt gekleidet waren, wie das, was man so auf den üblichen Powwow-Fotos sieht. Nüchtern betrachtet ein paar Menschen, die im Kreis stehen, zur Musik rasseln und auf der Stelle gehen, sich dabei mal zur Kreismitte und wieder zurück bewegen ... und das ganze über 60 - 150 Minuten am Stück. Fotografieren verboten. Und trotzdem hatte gerade dieser Gourd Dance etwas, was mich unheimlich in den Bann zog. Und dieser Bann steigerte sich nicht nur von Runde zu Runde innerhalb einer der insgesamt 4 Einheiten, die dieser Gourd Dance stattfand, mit jeder neuen Einheit wurde auch das Gefühl intensiver. Ein Freund von mir wurde dann in der letzten Einheit auch noch besonders geehrt. Das hat diesen Gourd Dance nicht nur um weitere 20 Minuten verlängert, ich war offensichtlich nicht die einzige, die dieser Gourd Dance in den Bann zog. Hatte es trotz anders lautender Aufrufe bis dahin trotzdem immer wieder den ein oder anderen Zuschauer gegeben, der machmal doch die Kamera gezückt und abgedrückt hat, gab es jetzt NIEMANDEN mehr, der das tat und das gesamte Publikum - Indianer wie Nicht-Indianer - war mucksmäusschen still (OHNE dazu aufgerufen worden zu sein. Gespräche untereindander wären genauso erlaubt gewesen wie Verhandlungen/Einkäufe bei den umstehenden Händlern). Aber genau da ist mir klar geworden: DAS ist die Energie, von der man mir vorher erzählt hatte. DAS, was die indianische Gemeinschaft zusammenhält - für die Dauer des Powwows und weit darüber hinaus. Und DAS ist eben auch das, was ein richtiges Powwow zu etwas Spirituellem, einer Zeremonie macht und es abhebt von dem blossen Unterhaltungs-Show-Event, bei dem zwar die Klamotten hübsch bunt sein mögen, es solch einen Energiefluss aber eben nicht gibt.
Gruss
Bärbel